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Mimen, Musen und Memoiren – Illustre Gäste in Neu-Cladow

Mit dem Blick auf die Landschaft an der Havel und das verändert erhaltene Gutshaus Alt-Cladow gerät ein kleines, wenig bekanntes Kapitel deutscher Kunst- und Kulturgeschichte in den Fokus. Denn hier bei Berlin etabliert Johannes Guthmann, kunsthistorisch promovierter Sohn eines Industriellen, Antikenfreund und Neoromantiker, zwischen 1910 und 20 einen Musenhof. Ein stadtfernes Refugium für Kunst und Intellekt, nicht unbedingt zeitkonform preußisch. Denn wer sich hier versammelt entspricht oft nicht den dominierenden moralischen und künstlerischen Vorstellungen. Der Hausherr ist homosexuell, Kaiser und bürgerliches Publikum mögen Gemaltes häufig historisch-konkret. Doch die Welt in Neu-Cladow ist großbürgerlich, offen, die hier ausführlich vorgestellten Sezessionisten Max Liebermann und Slevogt die prominentesten Maler unter den so häufigen Gästen. Zwar differieren ihre Malstile, doch ein jahrelanges kunstpolitisches Engagement für den Impressionismus zeigt sie immer wieder vereint. In diesem sich bildenden illustren großbürgerlich-künstlerischen Kreis darf der unermüdliche Impressionisten-Protegé, Kunsthändler und Verleger Paul Cassirer nicht fehlen; Guthmann erwirbt einen Großteil seiner Kunstobjekte bei ihm. Verheiratet mit Tilla Durieux, finden sich hier mit der Schauspielerin Lisa Fröhlich und ihrem Mann Anton Mayer, Kunsthistoriker, Szenen zweier Ehen, die den Milieuhintergrund der Berliner Künstlerszene bühnenreif kolorieren. Auch Gerhart Hauptmann ist hier zu Gast, Guthmann wohlgesonnener Begleiter auch nach 1920 im heute polnischen Schreiberhau. Und Walther Rathenau. In einem Kapitel, in dem die leitmotivisch oft umfangreichen Zitate aus Guthmanns 1955 erschienenen Lebenserinnerungen nun auch die Sicht der Autorin auf ihren Protagonisten freigeben: Johannes Guthmann als Gegenbild zu einem immer öffentlich brillieren wollenden, selbstgefällig-eitlen Walther Rathenau. Hier runden sich die Verschränkungen all dieser Charakterporträts mit den Zeitläuften ab und nur noch der Pianist Conrad Ansorge steht nun noch für all jene, die sich hier versammeln um die Zeitlosigkeit des Schönen gegen eine andere Welt kultiviert zu bewahren.
Ein Blick in eine andere Zeit, hier verstanden als Vorbild für unsere. Dem Leser vorgestellt mit ebenso viel Einfühlungsvermögen wie Wissen.

16.05.2020
Wolfgang Schmidt
Mimen, Musen und Memoiren. Illustre Gäste in Neu-Cladow [Berlin]. Owesle, Miriam-Esther. Hrsg.:Guthmann-Akademie. Deutsch. 200 S. 56 schw.-w. Abb. 24,0 x 22,0 cm. Paperback. Be.bra.Verlag, Berlin 2019. EUR 18,00.
ISBN 978-3-95410-225-9
 
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