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Paula Modersohn-Becker

Werkverzeichnisse spiegeln Lebenswerke. Allzu oft gilt dies nicht nur für das Leben und Werk der Künstlerinnen und Künstler, denen ein ‚Catalogue raisonné’, also ein kritischer Werkkatalog, gewidmet ist, sondern auch für deren Bearbeiter: Knapp fünfzig Jahre haben Wolfgang Werner und Anne Röver-Kann an dem nun vorliegenden Werkverzeichnis der Zeichnungen Paula Modersohn-Beckers gearbeitet. Zunächst als Zettelkasten erstellt, war das Erscheinen in Buchform seit 1998 angekündigt, dem Jahr in dem das bis heute gültige und maßgebliche Werkverzeichnis der Gemälde der Künstlerin erschienen ist.
Was nun, 25 Jahre später, vorliegt, ist ein Monumentalwerk, das rund 1.400 Zeichnungen in 1.800 Abbildungen vorstellt. Es führt uns den Entwicklungsgang der Ausnahmekünstlerin von den ersten Studien der rund 15-jährigen – in Bremen und London – über die Worpsweder und Pariser Studienjahre bis zu den reifen Arbeiten der letzten Jahre vor Augen. Während den Bearbeitern des Werkkatalogs dafür Jahrzehnte zur Verfügung standen, entstand das Werk Paula Modersohn-Becker im Wesentlichen in den zehn Jahren von 1897 – dem Jahr des ersten Aufenthalts in Worpswede – bis zu ihrem frühen Tod ebendort im November 1907. In dieser Dekade entwickelte sich Paula Becker, die 1901 den Maler Otto Modersohn heiratete, zu einer Künstlerin von europäischem Format: Vor allem die Aufenthalte in Paris ließen sie weit über den Sezessionismus der Worpsweder Künstlerkolonie hinauswachsen.
Zu den Entdeckungen des Werkverzeichnisses, das sich vor allem an Sammler, Museen, den Kunsthandel und wissenschaftliche Bibliotheken richtet, zählen neben dem Nebeneinander von Zeichnungen von akademischer Akkuratesse und nahezu brutalistisch vereinfachten Kompositionsskizzen vor allem die bildmäßig ausgearbeiteten Arbeiten auf Papier wie die farbigen Studien von Mutter und Kind oder das späte Blatt „Mädchen mit Hand am Kinn“. Diese Gouachen sind mehr Malerei als Zeichnung und stehen den Gemälden der Künstlerin kaum nach.
Neben dem Werkverzeichnis der Einzelblätter (im ersten Band der zweibändigen Edition) ist der zweite Band mit der Rekonstruktion von 22 Skizzenbüchern der Künstlerin eine editorische Meisterleistung: Sie bringt uns die Arbeitsweise Modersohn-Beckers nahe und stellt Zusammenhänge wieder her, die durch das Auflösen und Zerteilen der meisten der Skizzenbücher unwiederbringlich verloren schienen. Von besonderer Faszinationskraft ist hier das sogenannte „Bunzlauer Skizzenbuch“ (1900/03) mit Nachzeichnungen von Werken alter Meister, die – mit Unterstützung von Simone Ewald – nahezu lückenlos identifiziert und, in zumeist historischen Fotografien, den Zeichnungen an die Seite gestellt werden konnten. Diese Seiten nehmen den Betrachter von heute an die Hand, lassen ihn mit der Zeichnerin durch den Louvre flanieren und nachvollziehbar werden, was Paula Modersohn-Becker hier 1903 zu inspirieren vermochte: Es waren zum Teil dieselben Werke, die auch Picasso, nahezu zeitgleich, in ihren Bann zogen. – Hier begegnen sich Weltkultur und die Wurzeln der Moderne.

03.02.2024
Rainer Stamm
Paula Modersohn-Becker. Werkverzeichnis der Handzeichnungen. Hrsg.: Röver-Kann, Anne; Werner, Wolfgang. 948 S. 1800 fb. Abb.und S/W. 29,5 x 24,5 cm. Hirmer Verlag, München 2023. EUR 198,00.
ISBN 978-3-7774-4144-3
 
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