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Schmales Land

Vom frühen Ende des Anfangs
Christine Dwyer Hickeys neuer Roman „Schmales Land“

Die in Dublin geborene Schrifttellerin Christine Dwyer Hickey widmet ihren neuen Roman „Schmales Land“ einem ziemlich speziellen Thema: Es ist die Ehe von Edward Hopper und seiner Frau Josephine, die im Zentrum des Buchs steht. Ort der Handlung ist das Cape Cod, die Halbinsel im Südosten von Massachusetts, das der amerikanische Künstler 1930 zum ersten Mal besucht hat, um dort vier Jahre später gemeinsam mit seiner Frau, die ebenfalls Malerin war, ein Sommerhaus zu bauen – mit Blick auf Ginster, Dünengras und den Strand.

Viele Sommer hat Hopper in dem Holzhaus in Truro verbracht und hier gemalt – in einer Landschaft, die auch in dem Buch von Christine Dwyer Hickey sehr präsent ist. Cape Cod ist seit jeher ein sommerlicher Zukunftsort gewesen, für Schriftsteller und Künstler etwa wie Joel Meyerowitz, der 1979 sein erstes, legendäres Fotobuch dem so intensiven Licht am Cape Cod widmete.

Und voller Licht, mal dunstig dann glitzernd, ist auch der Sommer am Meer, den die Autorin hier beschreibt. Neben dem Ehepaar Hopper kreist der Roman, der im Jahr 1950 spielt, um den Jungen Michael, einem Waisen, der den Sommer mit einem anderen Jungen und dessen Mutter auf Cape Cod verbringt.

Doch vor allem fühlt sich Michael zu den Hoppers hingezogen. Die Zeichnung dieser Freundschaft von Michael zu dem Ehepaar, die Beschreibungen der anderen Sommergäste, die Spannungen in der Ehe, die immer wieder explodierende Gewalt zwischen den Eheleuten, die Eifersucht und Josephines Gefühl, in dieser Ehe und dem Leben zu kurz zu kommen, all das gibt dieses Buch leise, doch gleichwohl präzise wieder.

In manchen Momenten klingt dieser Roman wie ein Gemälde Hoppers. Wie etwa „Cape Cod Morning“ aus dem Jahr 1950, auf dem eine Frau zu sehen ist, die aus dem Erker eines Hauses erwartungsvoll in die Weite der Natur blickt. Was sie dort sieht, was sie dort erhofft, das bleibt dem Betrachter verborgen. Doch ihre Anspannung ist spürbar. „Schmales Land“ erzählt von solchen Spannungen, von solchen Hoffnungen, Erwartungen und Enttäuschungen am Beispiel der Ehe der Hoppers. Doch, natürlich, sind viele andere Ehen mit gemeint.

Schließlich hilft das Buch auch, noch einmal an Josephine Hoppers eigenes künstlerisches Werk zu erinnern. Es war ein großartiger Beginn: Sie hatte von 1904 bis 1906 an der renommierten New York School of Art unter anderem bei dem bedeutenden amerikanischen Realisten Robert Henri studiert, wo sie auch Edward Hopper kennenlernte. „Jo“ Hoppers Bilder waren populär: Sie hatte Ausstellungen mit Man Ray, Pablo Picasso und Amedeo Modigliani. Mit der Ehe stellte Josephine ihre eigene künstlerische Arbeit aber zurück und wirkte vor allem als hauptsächliches Modell Edward Hoppers, aber auch als seine Sekretärin und Managerin. Jo Hopper starb, kurz nach ihrem Mann, am 6. März 1968.

„Schmales Land“ erzählt in einem bedeutenden Nebenstrang von diesem rätselhaften Identitätsverlust einer Künstlerin, von einem frühen Ende eines vielversprechenden Anfangs, den die New Yorker Kunsthistorikerin und Hopper-Spezialistin Elizabeth Thompson Colleary einmal so beschrieben hat: „Waren sie zusammen, konnte Jo sich als Künstlerin nicht finden.“

05.08.2023
Marc Peschke
Schmales Land. Hickey, Christine Dwyer / Strätling, Uda 416 S., Unionsverlag, Zürich 2023. EUR 26,00

ISBN 978-3-293-00594-5
 
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