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Kunsttheorie – Von der Antike bis zur Gegenwart

"Kann man ein Buch über die Kunsttheorie von der Antike bis zu Gegenwart schreiben?" Mit dieser Frage eröffnet der Autor seine knapp 600seitige Studie zu einem scheinbar uferlosen Themenkomplex. Locher, der in Marburg eine Professur für Geschichte und Theorie der Bildmedien bekleidet, hat vor cirka 10 Jahren sein Projekt begonnen und nun ein Ergebnis vorgelegt. Kein Zweifel: sehr viele Gebiete der Kunsttheorie, seine entscheidenden Problemfelder, Diskurse und Differenzierungen werden in diesem Band überzeugend, problembewusst und nachvollziehbar dargestellt. Kunsttheorie, so bekennt Loch zu Anfang ist heute ähnliche Kunstgeschichte nur noch als eine "theoretisch produktive, konstruktive Arbeit" zu schreiben. Untergliedert in 14 Kapitel zu zentralen Fragestellungen der Kunsttheorie - etwa Kunstkritik und Kunstgespräch, Kunstkritik als Form moderne Theorie, Kunstautonomie und Gesellschaft, Kunstphilosophie und Kunstgeschichte - gelingt es dem Band, nacherzählend und rekonstruierend wesentliche Positionen und Diskurse der abendländischen Kunsttheorie anschaulich werden zu lassen. Doch Entscheidendes gelingt dem Autor nicht: neueste Kunsttheorie-Entwicklungen wie sie etwa durch die neuen Sozialen Medien seit wenigen Jahren hervorgerufen wurden und etwa durch Wolfgang Ullrich und andere jüngere Autorinnen thematisiert werden, finden hier kaum angemessene Berücksichtigung. Dass Locher cirka 40 (!) seiner eigenen Aufsätze und Bücher in der Literaturliste aufnimmt - geschenkt. Unverständlich ist jedoch wie er dagegen ein überaus zentrales Werk der Kunsttheorie des späten XX. Jahrhunderts - Niklas Luhmanns "Die Kunst der Gesellschaft" - bis auf die Titelnennung nicht ausführlich bespricht und auch Hans Beltings Publikationen sowie den renommierten Begründer der kunstwissenschaftlichen Rezeptionsästhetik - Wolfgang Kemp - nur sehr kurz am Rande berücksichtigt. Adornos, Heideggers und Benjamins Theorie-Konzepte werden jedoch sehr ausführlich referiert.

Der Grundtenor des hier vorgelegten "Standardwerkes" (so der stolze auf dem Buchdeckel vermerkte Anspruch) ist eine gemächlich referierende Schilderung von Sachverhalten und weniger von aktuellen Problem-Schnittstellen. Eine inspirierende eigene Kunsttheorie-Praxis wie sie etwa kürzlich Kolja Reichert in seinem anregenden Band "Das kann ich auch. 50 Fragen zur Kunst" vorgelegt hat, suchen gerade die Jüngeren unter den Lesenden leider vergeblich. Auf diese Weise hat dieser Band seinen eigenen hohen Ansprüchen nicht optimal genügen können.

07.07.2023
Michael Kröger
Kunsttheorie. Von der Antike bis zur Gegenwart. Locher, Hubert.592 S. 60 Abb .21,7 x 13,9 cm. Gb. C.H. Beck Verlag, München 2023. EUR 58,00.
ISBN 978-3-406-80011-5   [C. H. Beck]
 
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