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Rob Hammer: Roadside Meditations

Diese Sehnsucht endet nie

Rob Hammers Buch „Roadside Meditations“

Die Geschichte der amerikanischen Fotografie ist auch die Geschichte des fotografierten Road Trips. Im Geiste Jack Kerouacs waren viele, vor allem männliche Fotografen auf den amerikanischen Highways unterwegs, von denen die ersten noch vor dem ersten Weltkrieg gebaut wurden. Manche dieser Straßen haben einen mythischen Zauber, die Route 66 natürlich, die legendäre 4000 Kilometer lange Straße durch Amerika: denkmalgeschütztes, zerfallendes Sperrgebiet einer Nationalutopie. Oder der 5400 Kilometer lange U.S. Highway 20, der von Boston bis Newport führt – oder der spektakuläre Highway 163, der die Bundesstaaten Arizona und Utah auf dem Colorado-Plateau durchquert und Monument Valley tangiert. Man kennt diese Straßen aus Filmen und Fotografien, auch wenn man noch nie da war.
„Unterwegs“ sein, „On The Road“, 1957 erschien das Beat-Manifest Kerouacs, das ist ein amerikanischer Mythos. Bei Kerouac ist das Unterwegs-Sein eine Absage an die Gesellschaft, ein Gegenbild, eine Hommage an die, welche aus der Gesellschaft herausfallen. Zuerst Walker Evans und dann immer neue Generationen von Fotografen, Männer zumeist wie Robert Frank, Stephen Shore, Joel Sternfeld, Lee Freedlander, William Eggleston, Joel Meyerowitz, Jacob Holdt oder jüngst wieder Thomas Hoepker feierten und feiern dieses Unterwegs-Sein – und so auch Rob Hammer, dessen Buch jetzt im Kehrer Verlag erschienen ist.
„Roadside Meditations“ versammelt Bilder, die auf Fahren durch die USA entstanden sind. Meditationen nennt sie der US-amerikanische Fotograf Rob Hammer, weil das Unterwegssein für ihn ein spiritueller Akt ist. Das Herumfahren auf den Straßen, der Road Trip, hat einen erzieherischen, transformativen und meditativen Charakter, sagt Hammer.
Schon immer waren Fotografen und Filmemacher fasziniert von der verführerischen Weite, von der Utopie des Unterwegs-Seins. Und so illustrieren diese Fotografien auch die Sehnsucht Amerikas nach der eigenen Geschichte. Zu wissen, wer man ist und woher man kommt. Denn diese Sehnsucht endet nie. Seine Bilder sind Wiedergänger der vielen Bilder, die bereits auf amerikanischen Straßen gemacht wurden – und auch in ihnen ist der Wunsch präsent, zu verstehen: ein Land, von dem gesagt wird, es gäbe hier unendliche Möglichkeiten. Was ist die Wahrheit dieses Landes? Fragen wir uns beim Blättern durch dieses neue Buch eines fotografischen Road Trips.
Auf die Darstellung von Menschen verzichtet Hammer ganz – es sind die Strukturen und Linien aus Straßenarchitektur, Landschaften, Straßenschildern und Fahrbahnmarkierungen, die ihn faszinieren. Es sind die Linien, welche das Land gliedern, die Horizontlinie, die Vertikale eines Schildes, das auf eine aufgegebene Bar hinweist. Hier wird wohl schon lange nichts mehr ausgeschenkt. Tumbleweeds rollen nicht mehr durch die Landschaft, sondern stecken fest. Nichts geht mehr.
Und schon das Titelbild zeigt eine Straße, die ins nichts führt. Hier geht es nicht mehr weiter. Ist man hier am Ende? Ist das das Ende von Amerika? Das Ende des Mythos? „Hier war ich am Ende von Amerika – kein Land mehr – und jetzt konnte ich nur noch zurück“, schreibt Jack Kerouac in „Unterwegs“. Meditationen über solche Fragen enthält dieses Buch zuhauf.
03.06.2023
Marc Peschke
Rob Hammer. Roadside Meditations. Hammer, Rob. Hrsg.: Becker, Alexa; Beitr.: Bie, Tom. Englisch. 128 S. fb. Abb. 24 x 30 cm. Kehrer Verlag, Heidelberg 2022. EUR 39,90.
ISBN 978-3-96900-070-0
 
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