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Das Atelier des Malers

Die Werkstatt des Künstlers ist ein sagenumwobener Ort: Ein Raum, in dem Geheimnisse gehütet werden, ein Ort Welt abgeschiedener Zurückgezogenheit und Konzentration ebenso wie lasziver Ausschweifungen der Boheme - kurz: die ideale Folie für die Projektionen des Publikums. Im 19. Jahrhundert wurde aus der Werkstatt des Künstlers ein Verkaufsraum und eine Bühne der Selbstinszenierung. Künstlerfürsten wie Hans Makart in Wien, Franz von Lenbach und Franz von Stuck in München verstanden es ihren Werken in Wohnhaus und Atelier einen Rahmen zu bauen, der dem Besucher den Rang ihrer Kunst eindrücklich nachvollziehbar machte. Das Atelier - ein Begriff, der sich im deutschen Sprachraum erst im 19. Jahrhundert durchsetzte - konnte die ärmliche Kammer des verkannten Genies sein, das passend eingerichtete Atelier eines Fachmalers oder die Gemäldesammlung eines Malergenies, die in Konkurrenz zu den Sammlungen seiner Kunden trat.
Die Fragestellung, was ist ein Atelier und wozu dient es, scheint aus heutiger Sicht einfacher, als sie es für eine Zeit ist, in der dieser Raum erst definiert wurde. Als Werkstatt für einen Maler kann zunächst jeder Raum in spontaner Umnutzung dienen. Im Laufe des 19. Jhs. begannen sich vor allem die Vertreter der verschiedenen Gattungen der Malerei auch spezielle Arbeitsräume zu schaffen, Räume mit großen Fenstern mit Nordlicht, aber auch Räume, deren Ausstattung bereits die Kulisse für die zu inszenierenden Gemälde abgaben. Der Marinemaler umgab sich mit Booten und Schiffsausstattung, der Historienmaler mit Kostümen und Antiquitäten.
Eva Mongi-Vollmer baut daher ihre Untersuchung dieses Raumtyps auf einer Fülle von Quellen auf: Berichte über Ateliers und Atelierbesuche, Photographien, für die die Arbeitsräume in Szene gesetzt worden waren, Karikaturen, die über das Leben und Treiben in den Ateliers viel erzählen können, Künstlerromane und nicht zuletzt eine Vielzahl von Gemälde mit Titeln wie "Besuch im Atelier", "Die Modellpause" sowie zahlreiche Selbstportraits bei der Arbeit, die das Atelier zum Gegenstand nehmen. Das Material bietet viele Überraschungen, so war sich Franz von Lenbach nicht zu schade dafür, in einem Modellatelier der "Ausstellung für Maltechnik" im Münchner Glaspalast 1893 öffentliche Malvorführungen darzubieten. Die Gliederung des Buches nach unterschiedlichen Aspekten - der Raum, die Organisation der Arbeit, Atelierrituale, das Atelier als Vorbild für den Sammler und als Spiegel der gesellschaftlichen Situation der Künstler - entfaltet die Diskurse um diesen Raum anekdoten- und abwechslungsreich, so dass sie zu einer spannenden Kulturgeschichte der Kunst dieser Zeit wird.
Andreas Strobl
Mongi-Vollmer, Eva: Das Atelier des Malers. Die Diskurse eines Raums in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 300 S., 80 Abb. 23 cm. Gb., Lukas, Berlin 2003. EUR 30,-
ISBN 3-936872-12-0
 
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