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Mosaiken in Italien 300 – 1300

Joachim Poeschke, ausgewiesener Kenner früher italienischer Kunst, hat seiner Arbeit über die „Wandmalerei der Giottozeit in Italien 1280 – 1400“ (München 2003: Hirmer) einen Epochenüberblick über ein zeitlich nahes und (bisher) noch weniger kunsthistorisch bearbeitetes Feld folgen lassen: einem einführenden ausführlichen Überblick schließen sich, streng chronologisch, 19 detailliert beschriebene Beispiele christlicher Überlieferung auf Mosaiken an. Mit ihren Verschränkungen zu byzantinischen und islamischen Einflüssen geraten damit auch jene kulturellen Wechselwirkungen zwischen Okzident und Orient ins Blickfeld, die als Ausfluß tages-aktueller multi-kultureller Diskussionen den kunsthistorisch-fachwissenschaftlichen Diskurs immer häufiger bestimmen.

Das Buch begeistert durch seine Aufnahmen so, wie die dort abgebildeten Mosaiken deren Betrachter in früheren Jahrhunderten erstaunt haben mögen. Tiefenscharf-farbige Aufnahmen, viele davon eigens für diesen Band angefertigt, zeigen noch heute in christlichen Sakralbauten (in der Regel verändert) erhaltene musivische Kunst, besonders in deren Hochzeiten im 6./7., 9. und 12./13. Jahrhundert: spätantike Einflüsse in Ravenna, römisch-byzantinische in Rom (S. Prassede), den Rückgriff auf (früh-)römische Gestaltungstraditionen in S. M. in Trastevere (Rom), schließlich byzantinisch (Cefalu) und islamisch (Capella Palatino, Palermo) geprägte Darstellungen – und wie mit der lebendig-wolkigen illusionistischen Farbigkeit der Christus-Darstellung in S. Cosmas i Damiano (Rom, 6. Jahrhundert) auch künstlerisch über ihre Entstehungszeit weit Hinausweisendes.

Vor dem Betrachter öffnet sich so ein Füllhorn erzählender Bilder in der gesamten Bandbreite und mit allen Details hierarchisch strukturierter spätantik-frühmittelalterlicher christlicher Ikonographie: allüberall Heilige, Apostel, Propheten, Engel, Erzengel, die Jünger, kirchliche und weltliche Stifter mit ihren Modellen, Christus zuerst über, später gleichrangig mit Maria, gekrönte oder zu krönende Könige und, räumlich davon getrennt, zwei Kontrastprogramme: ein weltgerichtliches mit Märtyrern, brennenden Rosten, Monstern, dem schmerzverzerrt sich Windende, Höllen-Verdammte verschlingenden Luzifer und das versöhnende schöpfungsgeschichtliche, das an der naiv-konkret seitlich aus Adams Bauchrippe herauswachsenden Eva (Monreale und Palermo) so beispielhaft deutlich wird.

Ein Coffee-Table-Book?

Die optisch-visuelle Fülle im Überblick und Detail korrespondiert mit einem an Fakten fast überreichen Text, den die Methodik des Verfassers diszipliniert: er präsentiert uns mit seinen Beschreibungen der Mosaiken keine Einordnungen in kunstgeschichtliche Kategorienschemata, sondern die Relativität der sich bereits aus der bruckstückhaften Überlieferung von Mosaiken ergebenden Forschungsergebnisse und deren kontroverse Diskussion. Diese Souveränität ist dem Kenner angenehm, dem interesierten Laien nützliches Hilfsmittel, um sich bei einem Epochenüberblick von 1000 Jahren als vom Autor überzeugt geführt zu fühlen. Nicht nur wegen dieses methodischen Vorgehens hätte man gerne des Verfassers Antwort auf die (hier nicht gestellte) Frage gewußt, warum sich in der musivischen Kunst nach 1300 keine eigenständig-schöpferischen Hochleistungen mehr zeigen. In der Antwort hätte die Zeitbedingtheit des künstlerischen Ausdrucksmittels „Mosaiken“ aufgezeigt werden können das, anders als die nun dominierenden Wandbilder, den Säkularisierungs- und Individualisierungsprozeß im 14. Jahrhundert weder inhaltlich noch gestalterisch-visuell abzubilden vermochte. Angesichts dieses Werkes ist dies freilich eine Marginalie:

Vor uns liegt ein mit profund-detailliertem Fachwissen verfaßter und opulent-überzeugenden Farbbildern ausgestatteter sehr empfehlenswerter Band – der deshalb sicher auch in einer preisgünstigeren broschierten Fassung mit der CD der Farbaufnahmen ein breiteres Publikum anspricht.

15.11.2010
Wolfgang Schmidt, Berlin-Friedenau
Poeschke, Joachim: Mosaiken in Italien 300-1300. 432 S., 300 fb. Abb. 32 x 27 cm. Ln iKass. Hirmer Verlag, München 2009. EUR 138,00
ISBN 978-3-7774-2101-8
 
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