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Vom Stand der Dinge – Eine kleine Philosophie des Design

Ein kleiner Sammelband mit Texten zum Thema Design, heterogen, oft spontan geschrieben, argumentative Dopplungen und Wiederholungen eingeschlossen – und doch ist das Büchlein mit dem Titel „Vom Stand der Dinge“ eine wunderbar anregende, ja man könnte sogar etwas dümmlich sagen: beglückende Lektüre.
Vilém Flusser, der Autor, wählt für die Analyse der gestalteten Welt („Alles ist Design“) einen Standpunkt, der in seiner Mischung aus Un-Dogmatismus, Empathie (noch so eine modische Phrase) und Weltgewandtheit (eine enorme gedankliche Flughöhe) vollkommen ungewöhnlich, aber eben sehr fruchtbar ist. Flusser hat auf das Design einen existentiellen Blick: er erkennt den Menschen selbst in seinen Produkten und dem dazugehörigen Willen zur Gestaltung wieder – und zwar den ganzen Menschen, nicht nur den idealistisch überhöhten, unrealistischen Teil, den die Kunstwelt selbst darin erkannt sehen will. So schwingt in den Texten immer wieder Flussers eigenes Lebensschicksal mit, der als Jude einen Teil seiner Familie in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern verlor – deren Verbrennungsöfen mehrfach als eben genau als das benannt werden, was sie sind: Design.
Der subkutan-existentiellen, letztlich schmerzgetriebenen Notwendigkeit von Flussers intellektuellem Impetus (die Texte rücken dem Leser sehr nah, auch weil sie gut formuliert sind) steht kontrastreich das zweite zentrale rhetorische Mittel dieser Miniessays gegenüber: die Ironie. Flusser tritt bisweilen als Sophist auf, der mit den eigenen Gedanken tanzt (und sich dann aus dem ganzen Reigen französisch verabschiedet, um die Performance nicht beenden zu müssen). Man kann lange darüber nachdenken, ob er für den Moment nicht mehr weiterdenken wollte, die Lösung der aufgeworfenen Probleme selbst nicht kannte oder eben den Leser zum selbständigen Weiterdenken erziehen wollte, indem er das Szepter an uns übergibt.
Ich könnte jetzt weiter beschreiben, was diese Texte ausmacht – übrigens weit über ihren Gegenstand, das Design, hinaus. Ich schlage aber eher vor: lieber Leser, besorge Dir das Buch und lies es selbst. Es ist zudem sehr sauber gestaltet und mit einem kompetenten (für meinen Geschmack etwas zu unkritischen) Nachwort, sowie Anhängen garniert, sodaß es als Objekt des Hauses Steidl als rundum gelungen gelten kann.

17.12.2019
Christian Welzbacher
Vom Stand der Dinge. Eine kleine Philosophie des Design. Flusser, Vilém. Hrsg.: Wurm, Fabian. 160 S. 21 x 14 cm. Gb. Steidl Verlag, Göttingen 2019. EUR 16,00.
ISBN 978-3-95829-214-7
 
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