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Juden in Mecklenburg 1845-1945

In diesem Jahr erinnern wir uns der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus. 75 Jahre sind vergangen. Das Gedenken an die Gewalt der Nationalsozialisten, an den gewaltsamen Tod von Millionen Juden und anderen Verfolgten, an den Tod von Millionen Soldaten, herbeigeführt durch deutsche Schuld darf niemals vergessen werden.

Zum Gedenken und zum Nachschlagen regionaler Daten über die bis 1945 bestehenden jüdischen Gemeinden in Mecklenburg, ihre Namen, ihre Zahl und ihr Schicksal ist nun eine umfangreiche und inhaltsschwere Dokumentation von der Landeszentrale für politische Bildung erschienen.
Auf einer dichten Quellenbasis wird in dem Gedenkbuch von Michael Buddrus und Sigrid Fritzlar unter Mitarbeit von Ute Eichhorn, Angrit Lorenzen-Schmidt und Martin Wiesche erstmals für einen Zeitraum von einhundert Jahren das vielfältige jüdische Leben in Mecklenburg dargestellt.

Beschrieben werden alle 45 jüdischen Gemeinden des Landes, deren Führungsgremien und leitende Persönlichkeiten. Durch die Auswertung von bislang nicht oder kaum zugänglichen Materialien war es möglich, detailreich zahlreiche zentrale Aspekte des jüdischen Lebens in Mecklenburg zu beschreiben. Dabei werden unter anderem die Herkunft der Opfer, ihre Bildungsbiographien, die Sozial- und Berufsstrukturen oder Auswanderungen in den Blick genommen. Allein Band 1 umfasst mit 1.200 Fotos illustrierte Kurzbiographien von mehr als 7.000 Juden, die zwischen 1845 und 1945 in Mecklenburg gelebt haben. Sie vermitteln ein aufschlussreiches und vielfach erschütterndes Bild vom Leben und Sterben jüdischer Mitmenschen.

Besonders eindringlich und als erschütterndes Beispiel mögen die zahllosen antijüdischen Gesetze, Verordnungen, Erlasse, Bestimmungen und Bekanntmachungen des Naziregimes seit dem 15. März 1933 dienen, die von diesem Datum an manchmal 2 x täglich erschienen, aber mindestens alle drei Tage. Diese antisemitischen Verordnungen betrafen alle Lebensbereiche, den Handel, die Justiz, die Kirchen, die Schulen und Universitäten, um nur einige Beispiele zu nennen. Sie enden am 19. Januar 1945 mit dem Erlass: „Alle in Mischehen lebenden arbeitsfähigen Juden (ausgenommen ausländische Staatsangehörige), sowie Geltungsjuden sollen bis zum 15. Februar 1945 nach Theresienstadt deportiert werden.“ Als „Geltungsjuden“ wurden Personen bezeichnet, die mit einem „Juden“ verheiratet waren.

Wer die amtlichen Verfügungen bearbeitet hat, d.h. die Erläuterungen formulierte, geht aus der Liste nicht hervor. Jedoch wage ich anzumerken, dass die Bezeichnung „jüdische Synagoge“ eine Tautologie darstellt, denn jede Synagoge ist ein jüdisches Gotteshaus, und auch der Begriff „Kristallnacht“, eine leicht verniedlichende Bezeichnung der grausamen Pogromnacht (1938), hätte wenigstens An- und Abführungszeichen tragen sollen.

Dennoch ist diese umfangreiche Dokumentation ein wichtiger Beitrag zur deutschen Geschichtsschreibung und nicht nur zum Gedenken am 8. Mai, dem Tag der Befreiung, ein Signal.
Angesichts der heutigen, wieder verstärkt und unverfroren auftretenden antisemitischen Einstellungen mancher Bürger unseres Landes und weit über Deutschland hinaus, bleibt darüber hinaus die Frage offen, was geschah mit dem Nachlass (und auch mit der Gedenk-Praxis) jüdischen Lebens nach 1945? Was geschah mit den verwaisten Synagogen in Mecklenburg nach dem Krieg?
In Hessen hat diese Frage die Jüdin Thea Altaras beantwortet und ist hier und dort auf erschütternde Zeugnisse gestoßen.

16.05.2020
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Synagogen und jüdische Rituelle Tauchbäder in Hessen - Was geschah seit 1945? Altaras, Thea, 432 S., 1244 Abb., dav. 218 farbig, 27 x 21 cm Gebunden, Langewiesche Verlag, Königstein 2007.
ISBN 978-3-7845-7794-4, 14.80 EUR

Gabriele Klempert
Juden in Mecklenburg 1845-1945. Lebenswege und Schicksale. Ein Gedenkbuch. Buddrus, Michael; Fritzlar, Sigrid. Hrsg.: Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern; Institut für Zeitgeschichte München-Berlin. Deutsch. 1480 S. Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin, 2020. EUR 30,00
ISBN 978-3-9816439-9-2
 
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