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Thé Thjong-Khing: Hieronymus

Es ist schon gut zehn Jahre her, da versetzte der niederländische Graphiker Thé Thjong-Khing (1933 als Sohn einer chinesischen Familie in Indonesien geboren und seit Ende der 1950er in Europa) seine Leser mit einer geklauten Torte in helle Begeisterung: eine gemalte Panorama-Breitband-Bildergeschichte, die sich auf zahlreichen Ebenen Doppelseite für Doppelseite entwickelte und die man nur durch genaues Sehen, pfiffiges Kombinieren und fleißiges Hin-und-Her-Blättern zu enträtseln vermochte. Dieses Buch war, ganz ohne Worte, ein Lesespaß für alle Kinder von 3 bis 99 – und es wurde ein internationaler Erfolg.
Nachdem Thé ein paar schwächere Sequels folgen ließ hat er mit seinem neuesten Werk „Hieronymus“ wieder zu alter Stärke gefunden. Das Prinzip ist das gleiche, nämlich das probate: Panoramabilder, die, wie Teilstücke eines sich ewig fortsetzenden Hintergrundes, das Setting für das Geschehen bilden, sodaß sich die Geschichte über die Doppelseiten hinweg allmählich entwickelt. Dabei hat er diesmal einiges anders gemacht. Zum ersten wechselt er mittendrin die Leserichtung: die Figuren rennen wieder zum Ausgangspunkt zurück, was bedeutet, das man besonders genau schauen muß, wie alles zusammenhängt. Zum zweiten gibt es Figuren, die ihre Gestalt verändern – auch dies steigert Lese- und Rätselvergnügen ungemein. Zum dritten – und das ist der Grund, warum das Buch im Kunstbuchanzeiger gelandet ist – hat sich Thé diesmal bei seiner Erzählung kunsthistorischen Beistand geholt: er hat die Protagonisten, durch deren phantastische Welt sich ein kleiner Junge namens Hieronymus bewegt, aus dem Fundus des Malers Hieronymus Bosch entlehnt. Dies tut Thé Thejong-Khing in ganz eigenständiger, freier Weise. Er lässt Mischwesen gegeneinander kämpfen, steckt den Heuwagen in Brand, besiedelt den Baummenschen und vieles mehr. Und all das Ungetier, das durch die Bilder fleucht, hat es auf des Kleinen Hieronymus Rucksack abgesehen, der von Wesen zu Wesen wandert, gefolgt von dem Jungen und seinen Verbündeten – und von den begeistert rätselnden Augen des Lesers. Ob der tapfere Hieronymus seine Siebensachen zurückkriegt und zu seinem Haus zurückfindet, das er zu Beginn der Geschichte verlässt, sei an dieser Stelle nicht verraten: Thé Thjong-Khing kaufen und selber rausfinden, heißt die Devise!
Unter den vielen Beiträgen zum Hieronymus-Bosch-Jubeljahr ist Thés Bilderbuch sicher das Originellste. Das Schöne daran ist: Es funktioniert auch ohne dass man Hieronymus Bosch kennt. Aber danach wird jeder Leser die Motive auf den echten Boschs wieder erkennen. Und so hat der Band am Ende sogar noch eine Bildungsfunktion.

26.10.2016
Christian Welzbacher
Hieronymus. Ein Abenteuer in der Welt des Hieronymus Bosch . Tjong-Khing, Thé. 48 S., fb. Abb. Gb. Moritz Verlag, Frankfurt 2016. EUR 14,95 CHF 21,30
ISBN 978-3-89565-321-6
 
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