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Keep out! – Early Dynastic and Old Kingdom Cylinder Seals and Sealings

Siegel – vor allem ihre Abdrücke und Abrollungen auf weichen Materialien wie etwa ungebranntem Ton oder Nilschlamm sind wohl unangefochten die wichtigsten Quellen, die uns aus der Zeit des 4./3. Jt. v. u. Z. über die frühägyptische Verwaltungsstruktur und ihre Organisation informieren. Sie enthalten die Namen von Verwaltungsinstitutionen, Titel und Personennamen, wenngleich in einigen Fällen bis heute über die Lesung und Bedeutung in der Ägyptologie gestritten wird. Die Beschäftigung mit diesen äußerst fragilen und stark fragmentierten Objekten – die originalen Siegel aus Stein oder Metall haben sich häufig nicht erhalten - setzt viel Geduld und Hingabe voraus, die jedoch zu neuen Ansätzen führt. Hierzu gehört aber eben nicht nur die Beschäftigung mit den Inschriften selbst, die in der Ägyptologie bislang im Zentrum der Aufmerksamkeit standen, sondern liefern weitere spannende Einblicke in die Frage, was gesiegelt wurde (Kisten, Säcke, Papyrus, Gefäße, Türen etc.) und somit weitere Fragen zu Funktion und Kontext stellen lassen.
Einen Einblick in unterschiedliche Projekte und Forschungsansätze zu dieser spannenden Thematik liefert der bei Harrassowitz in der Reihe Menes erschienene Band, in dem neun Beiträge eines Workshops von 2019 versammelt sind, die sich jeweils ganz unterschiedlichen Aspekten widmen.
In den letzten Jahrzehnten haben vor allem Neu- und Nachgrabungen ein enormes Potential aufgezeigt, unser Wissen der frühägyptischen Administration zu erweitern. Einen sehr umfassenden Einblick in ein Feldprojekt, dass sich mit einem Elite-Grab in Nord-Sakkara (Grab S 3537) beschäftigt, liefert das Team um Bassem Gehad (S. 99–154). Das Grab aus der 2. Dynastie wurde von einem vorwiegend ägyptischen Grabungsteam von 2018 an im Rahmen einer Fieldschool erneut ausgegraben und dokumentiert. Im Beitrag wird dem Leser ein Überblick über das Grab, seine Architektur und Funde, darunter mehrere tausend Tongefäßscherben, beschriftete Steingefäßfragmente und Siegelabrollungen geboten. Die typologische Auswertung der Gefäße als auch die Inschriften (Siegelabrollungen) sprechen für eine Datierung des Grabes in die Regierungszeit Ninetjers (S. 128). Daneben nennen die Inschriften drei Personen: Aha-ka, Jj und Chai. Der Bericht wird durch einen anthropologischen Bericht zu den menschlichen als auch tierischen Knochen abgerundet.
Rita Hartmann präsentiert in ihrem Beitrag (S. 155–178) Ergebnisse zu den Untersuchungen der Siegelabrollungen aus dem Königsgrab des Peribsen (2. Dyn.) in Abydos. Dabei nutzt sie nicht nur die Ergebnisse der deutschen Nachgrabungen, sondern bindet die Dokumentation der Altgrabungen von E. Amélineau ein, was zu spannenden Einsichten führt. Von zentraler Bedeutung sind zudem sicherlich die Siegel, die eine Person namens Sechem-ib nennen, und die in der Fachwelt für viel Diskussion gesorgt haben. So ist bislang nicht sicher, ob es sich um zwei Namen des gleichen Herrschers handelt, oder der Name eines weiteren Königs, möglicherweise Nachfolgers von Peribsen, der ansonsten aber kaum belegt und dessen Grab bislang nicht gefunden worden ist. Im Grab konnte Hartmann eine Abrollung ausmachen, die nun beide Namen aufweist, was von ihr als Hinweis gedeutet wird, dass es vielleicht doch zwei unterschiedliche Personen gewesen sein könnten (S. 171). Zudem ergab die Analyse der Fundlage (Altgrabung E. Amélineau), dass es möglicherweise unterschiedliche Verteilungsmuster gab (S. 173). Dies ist auch insoweit interessant, als dass ich der amerikanische Kollege Siobhan Shinn in seinem Beitrag (S. 179–191) zu den Siegeln aus dem sogenannten Talbezirk des Peribsen, der unweit des Königsgrabes liegt, die gegenteilige Meinung vertritt (S. 181).
Unter dem Titel „Three Sites – one administration? betrachtet E.-M. Engel Siegelabrollungen und –abdrücke aus den Fundstellen von Buto, Abydos (Grab des Chasechemui) und Elephantine (S. 193–216).
Neben Neufunden aus Grabungen, lohnt jedoch immer wieder auch die Betrachtung von Altfunden im Museumsbestand. Ein solches Objekt, ein Siegel aus der Regierungszeit Pepi I. (6. Dyn.), das im Ägyptischen Museum in Berlin aufbewahrt wird und bereits Gegenstand vieler Untersuchungen und Forschungen war, hat sich verdienstvoll P. Andrassy vorgenommen, die eine neue Lesung und damit zusammenhängend auch neue Interpretation anbietet (S. 217–239). Entgegen der früheren Deutung als Amtssiegel, schlägt sie die Deutung als königliches Institutionssiegel im Zusammenhang mit der lokalen Nahrungsproduktion bzw. Nahrungsbevorratung vor (S. 231).
Einen erweiterten Blick auf die Durchdringung des Landes in Sachen Administration bietet der Einblick in die französischen Grabungen in der Oase Dachlah durch L. Pantalacci, die die Siegelabrollungen und –abdrücke aus der Siedlung – vor allem aber aus dem Kontext des sogenannten Gouverneurspalastes der 6. Dynastie vorstellt (S. 241–255).
Wichtige Einblicke in die Fertigung der Siegel und die einzelnen Handlungen ermöglicht der kritische Beitrag von A. I. Blöbaum (S. 257–288). Sie beschäftigt sich mit den bislang erfolgten typologischen Ordnungsversuchen der Siegelformen und plädiert in dieser sehr sorgfältigen und detaillierten Betrachtung für die Verwendung eines offenen Systems, was somit auch fundortunabhängig und frei verwendet werden kann.
Der letzte Beitrag gibt schließlich Einblicke in die Arbeit der geplanten Überführung bzw. Einbindung des frühdynastischen Textcorpus in die webbasierte Textdatenbank „Thesaurus Linguae Aegypti“, die von R. Bußmann und G. Sperveslage geleistet wird (S. 289–310). Die dabei bestehenden Probleme wie etwa Lesevarianten; fragmentierte bzw. stark rekonstruierte Lesungen etc. werden dabei genauso in den Blick genommen wie die Schwierigkeit, die sich aus den unterschiedlichen Dokumentations- und Publikationsstand ergibt.

17.09.2021
Robert Kuhn
Keep out!. Early Dynastic and Old Kingdom Cylinder Seals and Sealings in Context. Hrsg.: Engel, Eva-Maria; Blöbaum, Anke Ilona; Kammerzell, Frank. Menes (7). Englisch. 315 S. 155 ill., 18 tables. 24 x 17 cm. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2021. EUR 78,00.
ISBN 978-3-447-11564-3   [Harrassowitz Verlag]
 
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