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Synagogenarchitektur in Deutschland |
Ein Großteil der Synagogen fiel in Deutschland der nationalsozialistischen Vernichtung und dem Krieg zum Opfer, doch einige haben diese Zeit überstanden. Im November 1989, mit dem Gedenken an den 50. Jahrestag der Zerstörung deutscher Synagogen, begann man allmählich zu begreifen, dass auch die dinglichen Überreste dieser einst so reichen Kultur bewahrt und dokumentiert werden müssen.
An der Technischen Universität Braunschweig, Fachgebiet Baugeschichte (Prof. Harmen Thies), wurde die Bet Tfila-Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa installiert, die seit 1993/94 mit dem Center for Jewish Art an der Hebrew University of Jerusalem zusammen arbeitet, das wiederum schon 1979 begonnen hatte, in diesem Bereich zu forschen und zu dokumentieren (Prof. Bezalel Narkiss). Eines der Projekte von Bet Tfila ist eine Ausstellung mit Architekturmodellen, die seit 2000 tourt, laufend um neue Modelle ergänzt und derzeit überarbeitet wird. Für 2010/11 ist eine Ausstellung in Frankfurt anvisiert.
Verbunden mit der Dokumentation und Rekonstruktion verlorener Architektur, zählt zur Aufgabe der Forschungsstelle „den Bautypus Synagoge in die allgemeine Entwicklung und Geschichte der europäischen Sakral-Architektur einzuordnen“. Dies wird in den Katalogbeiträgen kenntnisreich vorgeführt. Dass die Synagoge als Bautypus älter ist als die Kirche dürfte nicht jedem bewusst sein, doch ist es geschichtlich begründet. Zu bedenken sind die unterschiedlichen Funktionen: Die Kirche ist ein Gotteshaus (=Tempel), in dem Gott als gegenwärtig gedacht ist. Synagoge meint sowohl die Versammlung der Gläubigen als auch das diese umschließende Haus; hier erfolgt im wesentlichen die Belehrung im Gesetz Gottes, weshalb sie auf Jiddisch auch „Schul“ genannt wurde (Judenschule, Altschul).
Im Mittelalter standen Synagogen inmitten der jüdischen Viertel, häufig waren es kleine Saalbauten. Durch die Judenvertreibungen kam es erst um 1700 erneut zu einer Ansiedlung von Juden in deutschen Städten und damit zum Bau neuer Synagogen; diese lagen in der Regel abseits in Hinterhöfen.
Mit der Aufklärung, vor allem im „bürgerlichen“ 19. Jahrhundert, werden Synagogen zunehmend im Stadtbild sichtbar, stellen damit auch das zunehmende Selbstbewusstsein der israelitischen Gemeinden dar. Im Rahmen des Assimilations- und Akkulturationsprozesses erweist sich auch die Synagogen-Idee als höchst wandlungsfähig. Vor allem beim Reformjudentum verwischen die Unterschiede zum protestantischen Kirchenbau, in der äußeren Gestaltung ebenso wie in Teilen der liturgischen Nutzung; was sich dann auch in der Bezeichnung der Synagogen als Tempel andeutet.
In der Zeit des Neuen Bauens zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelten Synagogen- und Kirchenbauten als architektonische Herausforderungen wie andere Baumaßnahmen auch. All diese Entwicklungen finden ihren Ausdruck in typischen Bauformen ihrer Zeit. Einzig in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als der Historismus Elemente verschiedener Architekturstile kombinierte, fließt ein besonderes Element in die Synagogenarchitektur: das maurisch-orientalische.
Im Dokumentationsteil des Katalogs werden exemplarisch Synagogen vorgestellt: das beginnt mit der ältesten in Worms (1174/75) und endet mit Synagogen, die noch Anfang der 1930er Jahre entstanden wie in Hamburg. Darunter sind nicht nur prachtvollen Bauten der Großstädte, sondern auch einige Landsynagogen des 18. Jahrhunderts (Hornburg, Reckendorf). Im Beitragsteil geht Ulrich Knufinke in der zeitlichen Abfolge weiter, er stellt auch die neuen Synagogen in Deutschland nach 1945 vor. Ein höchst informatives und ansprechend gestaltetes Buch zu einem lange vernachlässigten Thema. Zugleich wird damit auf die verdienstvolle Arbeit der Bet Tfila-Forschungsstelle hingewiesen (www. bet-tfila.org).
12.6.2009 |
Dagmar Klein |
Synagogenarchitektur in Deutschland. 3. erw. Auflage 2008. 200 S., 240 sw. Abb. 26 x 21 cm. (Schriftenreihe der Bet Tfila- Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa 5) Gb EUR 19,95 |
ISBN 3-86568-344-4
[Michael Imhof]
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