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Sonja Braas. Forces

"Nature is a language, can't you read?" Nein, das haben wir (leider) verlernt. Sonja Braas ist eine Fotoromantikerin. Zumindest auf den ersten Blick. Das Cover ihres neuen Katalogbuchs kann einem richtig Angst machen. Da rumpelt dem Betrachter ein Eisblock entgegen, besser: wohl die Spitze des Eisbergs. Ein Koloss aus der unsagbaren Tiefe des Ozeans. Sonja Braas liebt solche düsteren, unheimlichen Bilder. Deshalb hat sie ihrer neuen Fotoserie auch den (düsteren, unheimlichen) Titel "Forces" gegeben. So könnte auch ein Hollywood-Streifen über den alles vernichtenden Supersturm heißen. Doch keine Angst. Das hier ist nicht Hollywood. Sonja Braas stammt aus Siegen, lebt in New York - und wie wir wissen, zeigt die Fotografie beinahe alles, doch selten die Wirklichkeit.
Diese großformatigen Fotografien von Eisbrocken, dunklen Schneelandschaften, von Nebelfeldern, Wasserfällen und aufgewühlten, schäumenden Meeren sind nicht authentisch. Sie zeigen nicht die Wirklichkeit. Alles ist - ganz im Sinne der inszenierten, postmodernen Fotokunst seit den achtziger Jahren - fake. Alles folgt der Strategie der Täuschung. Besonders wuchtig wirken diese Bilder, weil die 1968 geborene Braas nicht Architekturen reinszeniert oder urbanes Leben, sondern eben die klassischen Szenen der Romantik, wie sie schon Caspar David Friedrich sah und malte: die hereinbrechenden Naturgewalten. Das, was der Mensch kaum zu fassen und noch schwerer zu ertragen vermag.
Doch die ganze Sprengkraft dieser Bilder, die ganze Energie (die tatsächlich ein wenig an die fotografierten Sprengungen des japanischen Fotografen Hatakeyama erinnert) ist von Menschenhand zu Fotokunst geronnen: Sonja Braas ist die Meisterin dieser kühnen Szenen. Das, was sich als Naturschauspiel verkleidet hat, ist künstlich - ein gebautes Modell, das mit "echten" Landschaftsaufnahmen kombiniert wird. Warum das alles? Was sagt uns das? Das kann man so lesen: Erhabenheit gibt es nicht mehr. Das, was uns überwältigt, was uns beseelt, was uns schaudern lässt, was uns erschreckt, das alles ist künstlich. Natur ist nicht mehr das, was sie mal war. Als Galerienkunst taugt sie noch, für den white cube, als postmodernes Zitatenspiel, das man "Simulation der Wirklichkeit" nennt. Kein allzu neues Konzept, doch bei Braas mit Dramatik und Pathos recycled.
"Nature ist a language, can't you read", fragte einst die britische Popgruppe "The Smiths". Beim Betrachten der Bilder von Sonja Braas möchte man antworten: Nein, das haben wir (leider) verlernt. Bis zum 14. November 2004 zeigte die Städtische Galerie Wolfsburg die Serie "Forces". Im Kerber Verlag ist anlässlich der Ausstellung ein Katalogbuch mit Textbeiträgen von Susanne Pfleger und Thomas Seelig erschienen.
7.1.2005
Marc Peschke
Sonja Braas. Forces. Hrsg. v.Städtische Galerie Wolfsburg. Texte von (authors) Susanne Pfleger und Thomas Seelig. Dtsch. Engl. 72 S., 33 fb. Abb. 30 x 26 cm. (JungeKunst ) Gb mit Schutzumschlag. Kerber, Bielefeld 2004. EUR 30,-
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ISBN 3-936646-51-1
 
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