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Die Stunde der Heimatmaler. |
Heimatmaler oder Systemstütze?
Wie politisch kann Landschaftsmalerei sein? Können Veduten, also konkrete Portraits von landschaftlichen Situationen eine politische Aussage haben, selbst wenn sie keine eindeutige Staffage haben? Der Stadtrat in Bamberg beschloss nach jahrzehntelanger und zum Teil erbittert geführter Debatte im Juli 2020, vier großformatige Gemälde (131 x 157 cm) von Fritz Bayerlein (1872–1955) mit Ansichten der Stadt aus dem Ratssaal und dem Trauungssaal des Rathauses entfernen zu lassen. Bayerlein muss man nicht kennen und seine Bilder, die 1937 passgenau für die Raumsituation im historischen Bamberger Rathaus gemalt wurden auch nicht. Aber der Fall ist exemplarisch für unseren Umgang mit der NS-Zeit und für die Debatten der Bundesrepublik über die Vergangenheit unseres Landes. Und er hilft, die immer noch zu wenig bekannte Geschichte der Kulturpolitik im Nationalsozialismus anhand des konkreten Beispiels besser zu verstehen.
Der aus Bamberg stammende Bayerlein hatte bei dem Landschaftsmaler Karl Raupp an der Münchner Akademie studiert und wurde 1902 Mitglied der damals schon künstlerisch konservativen Münchner Künstlergenossenschaft, in deren Vorstand er später auch war und über die er regelmäßig bei den jährlichen Ausstellungen im Münchner Glaspalast vertreten war. Bereits 1931 trat er in die NSDAP ein und war von 1938 bis 1944 bei den „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ im „Haus der Deutschen Kunst“ in München mit seinen Landschaften vertreten. Außerdem schuf er zahlreiche Werke für NS-Institutionen und Parteifunktionäre. Nach der Kapitulation Deutschlands distanzierte er sich bis zu seinem Tod nicht von dieser politischen Positionierung. Trotzdem blieben seine Bamberg-Ansichten im Rathaus hängen und sein Name hatte für viele in Unterfranken weiterhin den ehrenvollen Klang des „Heimatmalers“, dem auch eine Straße in Bamberg gewidmet worden war – passenderweise eine Sackgasse.
Das Buch fasst die Beiträge einer gleichnamigen Tagung aus dem Oktober 2022 an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg zusammen, mit der ein Resümee der langjährigen Debatten und der schlussendlichen Abhängung der Bilder gezogen werden sollte. Dies gelingt mustergültig. Es wird nicht nur die Herkunft Bayerleins nachgezeichnet, sondern auch das Umfeld seiner späten Karriere beleuchtet. Der Kenner der NS-Kulturpolitik, Olaf Peters, gibt einen Überblick zu der widersprüchlichen Entwicklung ebendieser, Christoph Zuschlag stellt die andere Seite dieser Politik, die Verfemung der Moderne als „Entartete Kunst“ vor und Birgit Schwarz charakterisiert den Kunstgeschmack Adolf Hitlers. So werden allgemein die Rahmenbedingungen der Kunst in der NS-Zeit behandelt, um dann den Blick auf andere Systemkünstler wie den „Reichsautobahnmaler“ Carl Theodor Protzen, dem Landschaftsmaler und Ausstatter der Reichskanzlei Hermann Gradl oder den – wie Bayerlein – anscheinend unpolitische Bilder malenden Willy Kriegel zu richten. Bayerlein wurde 1944 in die Liste der sogenannten ‚Gottbegnadeten Kulturschaffenden‘ aufgenommen. Die Künstler dieser Liste sind als Stützen des Systems anzusehen und mussten trotzdem nach 1945 ganz überwiegend keine Nachteile daraus erleben, was der Herausgeber Wolfgang Brassat zusammen mit Kristina Rauscher in einem abschließenden Beitrag nachweist. Bayerlein war nicht zu „entnazifizieren“, selbst wenn er 1947 zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Er hatte sich vor der Spruchkammer gerechtfertigt: „Ich habe keine Parteigrößen porträtiert, keine politischen Begebenheiten gemalt, war auch kein Kriegsmaler, sondern habe nur immer meine deutsche Heimat gemalt, die deutsche Landschaft und Städtebilder.“
Seine Bilder, die für das Regime gemalt und vom Regime bejubelt wurden, kann man nach diesem Zeitpanorama und diesen Recherchen jedoch nicht mehr als unschuldig bezeichnen – abgesehen davon, dass sie kunsthistorisch, also qualitativ schlicht unbedeutend sind. Sie erweisen sich vielmehr als dekorative Seite eines Terrorregimes, zu dem Bayerlein von seiner politischen Gesinnung her unbelehrbar stand. Dass sie so lange die Geschicke eines bundesrepublikanischen Stadtrats und seiner Stadtgemeinschaft begleitet haben, ist kein Ruhmesblatt der jüngeren Geschichte. Fritz Bayerlein, das zeigt dieses Buch, ist kein marginaler Einzelfall. Er als Person und seine Kunstwerke stehen für ein System, das dem Leser in seiner Perfidie und seinen Absurditäten hier umfassend vorgestellt wird.
02.07.2024 |
Andreas Strobl |
Die Stunde der Heimatmaler. Fritz Bayerlein, die "Gottbegnadeten" und die NS-Kulturpolitik. Schriften des Instituts für Archäologische Wissenschaften (5); Veröffentlichung des Stadtarchivs Bamberg, (46). Hrsg.: Brassat, Wolfgang. 208 S. 32 sw. Abb., 100 fb. Abb. 30 x 22 cm. Imhof Verlag, Petersberg 2024. EUR 39,95. CHF 45,90 |
ISBN 978-3-7319-1413-6
[Michael Imhof]
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