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Friedrich Vordemberge-Gildewart |
Die Stadt Osnabrück betreibt seit Jahrzenten Kunst- und Kulturgeschichtsbewältigung auf hohem Niveau. Sie hat in den letzten Jahrzehnten den drei bekannten "Söhnen der Stadt" jeweils auf ihre Weise ihre Ehre erwiesen: Felix Nussbaum, Erich Maria Remarque; Friedrich Vordemberge- Gildewart. Nur am Rande: Wie sich der in Osnabrück geborene Boris Pistorius in diesen Kanon einordnen wird ist noch nicht ganz klar.
Der "stille Star", wie Autor Stefan Lüddemann, den Osnabrücker Konstruktivisten Vordemberge Gildewart gelabelt hat, verfügt über eine beeindruckende künstlerische und vor allem auch politisch-moralische Lebensleistung, die ihn gerade in heutigen Zeiten auch fast als Vorbild für ein eigenes ästhetisches Handelns vorbildlich erscheinen lässt. Die Vita des VG, wie er in seiner Geburtsstadt Osnabrück fast liebevoll genannt wird, ist beeindruckend erfolgreich. Gestartet als ausgebildeter Tischler verlässt VG 1919 die Provinzstadt und realisiert in den nächsten Jahrzenten eine beinahe atemberaubende Karriere als Künstler und Designer, der mit starker innerer Unabhängigkeit und Weltoffenheit ein konstruktivistisches Lebenswerk realisieren und dabei in inneren Zirkel der konstruktivistischen Avantgarde seiner Zeit rasch Anerkennung fand.
Die unbestreitbare Leistung des schmalen fast 100seitigen lebendig geschriebenen und fein gestalteten Bandes besteht vor allem darin, dass es Lüddemann gelingt, die Lebens-, Kunst- und Sozialgeschichte auf spannende Weise miteinander in Beziehung zu setzen und anschaulich zu verzahnen. Dass der Autor dabei in einzelnen intensiven Werkanalysen die (konstruktivistische) Kunst als "Stufen einer zunehmenden Selbstbefreiung" deutet, mag ja eine Berechtigung haben, verführt ihn aber auch manchmal zu einer etwas zu idealen Identifikation mit den Freiheitsidealen einer pluralen Gesellschaft, die Lüddemann glaubt, seinem Künstler-Helden unterstellen zu müssen. In jedem Fall gelingt es Lüddemann jedoch in konzentrierter, ansprechend "sachlicher" Weise das hohe Ethos dieses lange unterschätzen Künstlers einzufangen und für die unterschiedlichen Fragestellungen der heutigen Zeit anschlussfähig zu machen. VG sei, so Lüddemann, "brilliant als laut gewesen, eher ein Netzwerker aber kein Opportunist." In seiner weltoffenen Vielfältigkeit war VG sicher so etwas wie ein "role model" in vergangenen und gegenwärtigen politisch unsicheren Zeiten - so lautet eine Botschaft dieses sinnreichen Bandes in "Wienands Kleiner Reihe von Künstlerbiographien".
02.07.2024 |
Michael Kröger |
Friedrich Vordemberge-Gildewart. Lüddemann, Stefan. . 96. S. 60 fb. und s/w Abb. 18 x 12 cm. Wienand Verlag, Köln 2024. EUR 12,95. CHF 16,90 |
ISBN 978-3-86832-774-8
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