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Die Geschichte der Kunst

Im Mai 2018 wird im Louvre (wo denn sonst?) - wieder einmal mehr - Kunstgeschichte (um-)geschrieben. Die weltberühmten Superstars der Popmusik - Beyoncé und ihr Ehemann Jay-Z - drehen, vor der coolen Global-Ikone der Mona Lisa (vor wem sonst?), einen Videoclip für ihre neueste Single "Apeshit". Sie tanzen und posieren auch vor anderen Meisterwerken wie etwa Gericaults "Floß der Medusa" und machen damit deutlich, dass es in der weißen, westlichen Kunst auch schwarze Körper (wie auch Gericaults Bild) gibt: Diese Körper sind weiblich, aktiv und attraktiv, stark und selbstbewusst. Kunst ist aktives Handeln mit alten und neuen Bildern - und nicht nur stille, in sich gekehrte Bewunderung.

Mit solchen kurzen, auf den Punkt hin genau geschriebenen Kunst-Geschichten macht die britische Autorin Charlotte Mullins klar, wie sie heute Kunstgeschichte als Gegenwartsanalyse schreibt.
Sie agiert dabei nicht mehr aus der tradierten Sicht einer westlichen, weißen Perspektive einer gebildeten Kunstgeschichte, sondern vielmehr aus der Perspektive einer globalisierten Gleichzeitigkeit, in der Kunst aus sämtlichen Erdteilen und historischen Zeiten parallel erzählt wird und diese zu einem großen gegenwärtigen Tableau von aktuellen politischen Haltungen, sozialen Einstellungen und mentalen Identitäten verknüpft werden. Zeitlich reicht die Spanne ihrer Darstellung, die fast wie ein Film-Drehbuch wirkt, von den frühesten Höhlenmalereien bis hin zur jüngsten Spekulation mit NFTs. Keine ganz schlechte Performance möchte man da sagen.

Anders als Ernst H. Gombrichs millionenfach verkaufte "Weltgeschichte der Kunst" (zuerst 1950) besticht Mullins globale Kunstgeschichte, indem sie genau keine klassische Entwicklungsgeschichte von (westlicher) Kunst von Meisterwerken anbietet, sondern auf spannende Weise erzählt, wie heute gleichzeitig höchst unterschiedliche Kunstbegegnungen im Livemodus in Szene gesetzt werden. Mullins gelingt es so, den bildungsbürgerlichen Charme der Kunstgeschichte in die Probleme und Attraktionen eines gegenwärtigen Kunstgeschehens zu übersetzen. Dass dabei endlich der Blick auf unbekannte Künstlerinnen, die Fragen von Körperlichkeit oder auch Ideen der sozialen Gerechtigkeit in den Fokus rücken, macht dieser Band - auf eine typisch englisch-pragmatische Weise - deutlich. Diese Sammlung von diversen Geschichten zur Kunst sei, so war im DLF zu hören, "ein echtes Lektürevergnügen". Mullins Zugriff auf die Kunst ist handfest und direkt, ihr Stil kein bisschen verblasen. Ihr Credo dabei ist: „Kunst kann uns helfen, die Welt und unseren Platz in ihr mit anderen Augen zu sehen und ein wenig klarer zu bestimmen." notierte der Kulturredakteur Thorsten Jantschek. Diesem Lob kann man aus voller Überzeugung zustimmen! Der anerkannte Klassiker Gombrich hat endlich eine ernst zu nehmende zeitgenössische Konkurrentin bekommen.

01.03.2024
Michael Kröger
Die Geschichte der Kunst. Mullins, Charlotte. Übersetzt von Jendricke, Bernhard; Prummer-Lehmair, Christa; Wollermann, Thomas. 464 S. 173 Abb. 24 x 15,8 cm. Gb. C.H. Beck Verlag, München 2023. EUR 38,00.
ISBN 978-3-406-80622-3   [C. H. Beck]
 
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