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Alfred Biolek: Kartographie des Boulevards

Ganz zu Recht werden Leserinnen und Leser mit Bezug auf Alfred Bioleks „Kartographie des Boulevards“ fragen, ob sich die bei rund 485 dienstĂ€glichen Fernsehsendungen und in fast 1.600 Begegnungen mit unterschiedlichsten Menschen praktizierte hohe Kunst des GesprĂ€chs ĂŒberhaupt in einem Kunstbuch darstellen lĂ€sst? „Miteinander reden“ (Friedemann Schulz von Thun) - und eben nicht gegeneinander diskutieren - gewĂ€hrt seelische BerĂŒhrungen, Sprechende und Hörende erfahren sich in wechselseitiger Wahrnehmung neu. Das belebt. Ein Prozess, der sich anderen, nicht an einem solchen GesprĂ€ch Beteiligten nur sehr schwer vermiteln lĂ€sst.
TatsĂ€chlich ist, was auf den ersten Blick unmöglich scheint, mit der vorliegenden Veröffentlichung gut gelungen: nĂ€mlich einen Eindruck von der QualitĂ€t der in den Talk-Sendungen gefĂŒhrten GesprĂ€che auch demjenigen zu vermitteln, der nicht fernsieht und „Boulevard Bio“ gesehen hat. In der GegenĂŒberstellung von Karteikarten, die Alfred Bioleks Stichpunkte fĂŒr die von ihm moderierten GesprĂ€che zeigen, mit jeweils einer Abbildung in Schwarzweiß aus der zugehörigen Fernsehsendung entzĂŒndet sich fĂŒr den Lesenden und Schauenden ein anregendes und vergnĂŒgliches Hin-und-Her zwischen Text unf Fotografie wie es fĂŒr ein Kunstbuch charakteristisch ist. Die Fotografien stehen grundsĂ€tzlich links, die Karteikarten werden rechts wiedergegeben.
Dieser Gegensatz, aus dem das schöne Buch lebt, wird durch den Druck von Bioleks ursprĂŒnglich zartgrĂŒnen Moderationskarten in Schwarzweiß noch unterstĂŒtzt, so dass die Aufmerksamkeit des Lesenden durch die FarbĂ€hnlichkeit von Schrift und Bild auf das fĂŒr die Kunst des GesprĂ€chs so wesentliche 'Dazwischen' gelenkt wird. Mit der Folge, dass der Blick des Lesers neugierig auf einer Abbildung ruht, um vielleicht das eine oder andere Moment aus den auf den Karteikarten „skizzierten“ GesprĂ€chen zu erraten. Auf Alfred Bioleks Karten spiegelt sich zudem die Recherche und das ernste Interesse des Fragenden an seinen vielen GesprĂ€chspartnern wider. So spĂŒrt der Leser etwas von den zahlreichen und behutsamen AnnĂ€herungen an bemerkenswerte Persönlichkeiten der Welt durch den Talk-Master, der, wie Bettina GrĂ€fin von Pfeil in ihrer kurzen aber prĂ€zisen EinfĂŒhrung schreibt, „den Menschen hinter der Politprofi-Fassade aufzuspĂŒren“ suchte (S. 6). So bildet Alfred Bioleks „Kartographie des Boulevards“ einen schönen Beitrag innerhalb der langen Geschichte der GesprĂ€chskunst.
Matthias Mochner
Alfred Biolek. Kartographie des Boulevards. 48 Fotos mit den jeweiligen GesprĂ€chspartnern und 48 Abbildungen der handschriftlichen Moderationskarten aus den letzten drei Jahren zur Sendung Boulevard Bio. Vorwort vonBettina GrĂ€fin Pfeil. 108 S., 96 fb. Abb., 24 cm, Gb., Chorus Verlag, MĂŒnchen 2003. EUR 28,-
ISBN 3-931876-51-9   [Chorus]
 
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