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Mario Schneider - New York Short Stories |
Die Welt, sie dreht sich. Die USA ist politisch und kulturell in einem Abwärtstaumel, aber New York bleibt immer New York. So denkt man, so hofft man, wenn das das Buch „New York Short Stories“ von Mario Schneider durchblättert. New York City, die „Hauptstadt des 20. Jahrhunderts“, so scheint es, ist immer noch eine der aufregendsten Metropolen der Welt.
Der Schriftsteller Colson Whitehead schrieb einmal, über New York zu reden, sei „eine Art und Weise, über die Welt zu reden“. Und ein großartiger Ausschnitt dieser vielfältigen Welt wird in diesem Buch präsentiert. Natürlich: Betrachten wir ein Fotobuch über New York, dann betrachten wir einen vielfach fotografierten Ort. Nur wenige Namen: Alfred Stieglitz, Jacob Riis Lewis Hine, Berenice Abbott, Paul Strand, Garry Winogrand, Diane Arbus, Bruce Davidson, Mary Ellen Mark, Vivian Maier, Nan Goldin oder Helen Levitt. Das sind nur einige Klassiker der New York-Fotografie.
Und heute? Betrachten wir die Bilder in diesem Buch, so erscheint uns New York immer noch als inspirierendes, berauschendes Labor visueller Erzählungen. „New York Short Stories“ trägt das Literarische schon im Titel – und es ist interessant zu wissen, dass sich Mario Schneider vor allem als Regisseur und Filmkomponist einen Namen gemacht hat.
Doch er ist auch ein guter, ja ein sehr guter Straßenfotograf. Seine Schwarzweiß- und Farbbilder der Menschen, die er in New York sieht, erzählen tatsächlich Geschichten und erinnern daran, dass die Straße ein mythischer Ort der Fotografie ist. Immer steht der Mensch im Mittelpunkt seines Werkes, Menschen in ihrer alltäglichen Interaktion.
Es sind die zwischenmenschlichen Begegnungen, die hier, in diesem sorgfältig gedruckten und gestalteten Band, in den Vordergrund rücken. Aus der Flut der New York-Fotobücher ragt er weit hinaus. Es ist der humanistische Blick, der Schneiders Bilder auszeichnet, wie Elin Spring in ihrem Buchbeitrag ausführt. Sie nennt den Fotografen hier einen „Anthropologen, der unserer Gegenwart einen Zeitstempel aufdrückt“. Und ja, der Fotograf, er ist ein Menschenkundler. Wir sehen Überraschung, Freude, Hingabe, Empörung, Mitgefühl und Verzweiflung in diesen Menschen. New York bildet die Folie für viele kleine Dramen und Geschichten – und New York ist der Ort, der die Vielgestalt der Träume noch immer eindringlich symbolisiert.
Mario Schneider, 1979 geboren, hat selbst einen Buchbeitrag verfasst, den man lesen sollte. Er berichtet darin von seinem Aufwachsen im ländlichen Sachsen-Anhalt und vom Beginn seines Lebens als Fotograf: „Als ich zwölf war und mein Vater eine Dunkelkammer einrichtete, begann ich, mit seiner Kamera umherzuziehen und zu fotografieren. Mein erstes Foto war eine Pusteblume. Ich nahm sie aber nicht von oben auf. Ich legte mich auf den Rasen, das Kinn im Gras, hinunter zu ihr, alles um sie herum unscharf. Ich wollte mich in ihre Welt begeben, um Teil von ihr zu sein.“
Teil von der Welt sein: Wer fotografiert, formt mit dem Blick die Realität. Und so ist dieses Buch auch ein großes Bekenntnis zu dem, für was New York so lange stand, nämlich, ein großer Schmelztiegel zu sein. In politisch so traurigen Zeiten wie diesen kann ein solches Buch Hoffnung machen. Wir erleben hier eine „Kakofonie menschlicher Träume und Bestrebungen“, schreibt Elin Spring. Und in dieser Kakofonie liegt, bei allen Brüchen und Verwerfungen, die Seele dieser Metropole.
06.11.2025 |
| Marc Peschke |
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Mario Schneider. New York Short Stories. Schneider, Mario. Beitr.: Spring, Elin. Englisch. 192 S. 48 fb. 144 sw. Abb. 24 x 32 cm. Kehrer Verlag, Heidelberg 2025 EUR 48,00. |
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ISBN 978-3-96900-194-3
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