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Ägyptenrezeption im Mumienfilm

Das Ägypten-Motiv im Film ist schon häufig und von unterschiedlicher Seite aufgegriffen worden, doch fehlt bis heute eine umfassende Studie dieser Thematik von ägyptologischer Seite. In ihrer 2016 in der Reihe Philippika publizierten Masterarbeit (Universität Göttingen, 2013), untersucht Y. Vosmann diese Thematik anhand eines von ihr dem Horrorfilm zugerechneten Subgenre, dem sogenannten „Mumienfilm“. Sie stützt sich dabei in ihrer Studie auf die folgenden vier Filme: The Mummy (USA 1932), The Mummy (GB 1959), The Mummy Lives (USA 1993) und The Mummy (USA 1999). Neben der Frage nach der Ägyptenrezeption beschäftigt die Autorin zudem die Problematik der Verweise Referenzen der Filme untereinander, die die Ansprache der einzelnen Titel als Remake erlauben.
Nach einer kurzen Vorstellung der Ziele und Methodik (S. 7–9) folgt eine knappe Einleitung in die Thematik. Dabei wird zunächst die Bedeutung der Entwicklung Film und das Potential dieses Massenmediums auch für die Wissenschaft kurz angerissen (S. 11–12) und anschließend ein Überblick über einige wichtige Werke zur Auseinandersetzung mit dem Mumienfilm gegeben. In einem kurzen Ausflug zum Horrorgenre macht sie zudem auf mögliche literarische Vorbilder aufmerksam, die auch die filmische Umsetzung stark beeinflusst haben dürften (S. 26–30).
Im längsten Teil des Bandes, Kapitel 3, setzt sich Y. Vosmann in chronologischer Reihenfolge detailliert mit den einzelnen Filmen auseinander. Die Autorin folgt dabei stets dem gleichen Schema, was für eine bessere Vergleichbarkeit untereinander von Vorteil ist: Zunächst wird die formal-inhaltliche Struktur eines jeden Filmes in Form eines Sequenzprotokolls wiedergegeben. Es folgen ein kurzer Überblick zu den Charakteristika des jeweiligen Films, eine inhaltliche Analyse mitsamt Interpretation, ein Rückblick, eine kurze Charakterisierung und Besprechung der Figuren, schließlich des Settings und der Filmsets, der schlussendlich eine formale Analyse mitsamt Interpretation auf Basis der Schnittfrequenzanalyse, eine Bewertung von Bild und Kamera sowie abschließend Bemerkungen zum Ton und zur Musik folgen. Merkwürdig ist dabei, dass gerade beim letzterem Aspekt zwar der Zeitpunkt des Einsatzes von Ton / Geräuschen und Musik im Zusammenhang mit den jeweiligen Szenen jeweils aufwendig in einem Diagramm verzeichnet wird, doch kein Wort über die Filmkomponisten (die auch in der Filmographie keine Erwähnung finden) und des eigentlichen Charakters der entsprechenden Begleitmusik geliefert wird. Dabei wäre auch hier ein Vergleich der Musikstücke und entsprechende Bezüge der Komponisten aufeinander etc. ebenso von Interesse und daher wünschenswert gewesen – auch in Hinblick auf die Problematik des Remakes, schließlich sind musikalische Zitate bei Neuinterpretationen bekannter Themen ein gängiges Mittel in der Filmproduktion.
In Kapitel 4 wird eine Auswertung zur Frage des Remakes vorgenommen, wobei die Autorin – so viel sei bereits verraten – trotz der vielen Ähnlichkeiten und Bezüge allein einen Titel als echtes Remake des 1932 gedrehten Films ausweisen möchte (Kapitel 4, S. 101–109).
Im fünften Kapitel wertet Y. Vosmann die entsprechenden Filme auch ägyptologisch aus und hat sich hierfür die folgenden 4 Hauptaspekte herausgegriffen: Archäologie (S. 109–114); Religion (S. 114–120); Hieroglyphen (S. 120–122) und Kleidung (S. 120–122). Der Band schließt mit einem Fazit (Kapitel 6), einer Bibliographie, Internetquellen und einer Filmographie (S. 137) sowie Abbildungs- und Abkürzungsverzeichnis und einem Glossar ab.
Eine der Stärken der Studie sind die transparent gestaltete Methodik, die einem klaren und nachvollziehbaren Schema folgt sowie die detaillierte Untersuchung der Figuren und einzelnen Handlungsstränge. Die Kapitel sind in nüchterner Sprache verfasst. Lediglich die wiederholt umständlichen Satzkonstruktionen und die häufig komplizierten grammatischen Rückverweise erschweren das Verständnis der Argumentation unnötig. Ein wenig enttäuscht dürfte der ägyptologisch interessierte Leser und Fachwissenschaftler über das Kapitel 5 „Ägyptologische Auswertung“ sein, welches eines der Hauptziele der Arbeit darstellt und gerade auch im Vergleich zum sehr ausführlichen dritten Kapitel zu kurz und eher oberflächlich ausfällt. Bei der Fülle an ägyptischen und ägyptisierenden Motiven in den einzelnen Filmen überrascht es, dass nur sehr wenige der mitunter offensichtlichen Details aufgegriffen wurden und auch diese zumeist nur rudimentär behandelt und nicht weiter ausgedeutet werden. So versteift sich die Autorin beispielsweise darauf, dass der in zwei Filmen genannte Imhotep wohl mit dem Baumeister der Djoser-Pyramide zu identifizieren sei (S. 114), wobei sie allerdings verschweigt, dass die einzelnen Filme – jenseits der Namensgleichheit – keinerlei Ansatz für eine solche These liefern. Zudem existiert eine Fülle von Personen seit dem Alten Reich bis in die griechische Zeit (Vgl. Ranke, Ägyptische Personennamen I, 9.2), die genau diesen Namen tragen, so dass die bewusste Identifizierung der Filmmumien mit dem Architekten der 3. Dynastie zu hinterfragen wäre. Außerdem greift Y. Vosmann zwar auf, dass im Film von 1932 eine (aus heutiger Sicht falsche) Datierung von 1730 BC für die 18. Dynastie angegeben wird, verzichtet aber auf die Erörterung der damit zusammenhängenden Frage nach dem jeweiligen Forschungsstand der Zeit (1932!) und diesen, gerade für die Ägyptenrezeption so wichtigen und spannenden Punkt auch für die anderen Filme näher zu beleuchten.
Eine weitere interessante Frage, die nirgends angeschnitten wird, betrifft das Spiel mit den imaginären und realen ägyptischen Orten, wofür gerade die in der 1999 als Schauplatz dienende, aber von den Filmemachern völlig erdachte Stadt der Toten „Hamunaptra“ geradezu prädestiniert gewesen wäre. Im Abschnitt zu Verweisen auf die Religion geht Y. Vosmann vor allem auf die Bezüge zum Totenbuch und zum Osiris-Mythos ein, bei dem sich erwartungsgemäß die meisten der Filme bedient haben. Erstaunlicherweise ignoriert sie die Problematik der nur im 1999 zu findenden Darstellung des altägyptischen Totenbuches in der modernen Form eines Buches. Dies ist dahingehend interessant, als dass selbst im Film von 1932 eine historisch korrektere Papyrusrolle erscheint, wohingegen im 1999er Film, dem ein Ägyptologe als Berater der Filmcrew zur Seite stand, trotzdem die moderne Buchform als Requisite gewählt wurde. In diesem Zusammenhang wäre eine Auseinandersetzung mit der Frage nach den wissenschaftlichen Beratern bei den anderen von ihr untersuchten Filmen außerordentlich aufschlussreich gewesen – denn zumindest für den 1932er Film dürfte dies zu erwarten sein. Nichtsdestotrotz kann Y. Vosmann zeigen, dass ein erhebliches Wissen zum Alten Ägypten in den Filmen verpackt ist, deren vorrangige Funktion schließlich die Unterhaltung ist. Unverständlich bleibt, warum sie trotzdem mit vielen ägyptologischen Allgemeinplätzen und Verweisen aufwartet, die mitunter keinen direkten Bezug zu den Filmen haben bzw. denen mit einem Kurzverweis auf die entsprechende Literatur in einer Fußnote Genüge getan wäre. Hierunter zählen beispielsweise die erschöpfend langen, wortwörtlich zitierten Passagen zur Entzifferung der Hieroglyphenschrift (Assmann 2003, 9f.) oder zum Skarabäus (H. Bonnet 2000), die zum Grundwissen eines jeden fortgeschrittenen Ägyptologiestudenten gehören und daher an diesen Stellen keiner Wiederholung bedürfen. Im Gegensatz dazu würde sich der Leser an anderer Stelle zu unterschiedlichsten Aspekten eine tiefergehende Diskussion und Interpretation wünschen. Etwas negativ wirkt sich schließlich aus, dass die Abbildungen (Standbilder aus den Filmen) allesamt sehr klein ausfallen, was ein Erkennen der Details und das in Bezug setzen für die ägyptologische Untersuchung äußerst schwierig macht. Schlussendlich lässt sich sagen, dass es Y. Vosmann mit ihrer Publikation gelungen ist, ein außergewöhnlich interessantes Thema in das Blickfeld der Ägyptologie zu rücken, das gerade in Hinblick auf die ägyptologische Auswertung noch viele spannende Fragen und Überlegungen für eine weitere Beschäftigung für die nächsten Jahre bereithält.

26.10.2016
Robert Kuhn, Berlin
Vosmann, Yvonne. Ägyptenrezeption im Mumienfilm. The Mummy 1932 und Remakes. Philippika (96). 144 S. 57 Abb , 9 Diagramm(e), 7 Schaubild(er), 2 Tabelle(n). 24 x 17 cm. Engl. Br. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2016. EUR 34,00.
ISBN 978-3-447-10654-2   [Harrassowitz Verlag]
 
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