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Historische Kulturlandschaft

Der vorliegende Band „Historische Kulturlandschaft und Denkmalpflege“ fasst die Ergebnisse der Jahrestagung des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V. in Bamberg des Jahres 2009 zusammen.
Für den Laien ist es verblüffend zu erkennen, wie sehr bislang auf Einzeldenkmale – wenn überhaupt – geachtet wurde, ohne die sie umgebende Landschaft oder städtebaulichen Strukturen zu berücksichtigen. Erst wenn die historisch gewachsene Umgebung und auch nicht dingliche Spuren der Geschichte Einzug in die Wahrnehmung eines Denkmals nehmen, sind das Bauwerk und die Geschichte seiner Erbauer zu verstehen.

Ziel der Tagung war, kulturhistorische Kulturlandschaften zu definieren, um sie archivalisch erfassen und unter Schutz stellen zu können, was bislang kaum möglich ist. Diesen Fragen widmeten sich fächerübergreifend Wissenschaftler aus den Fachrichtungen der Bauforschung, Architektur, Kunstgeschichte, Landschaftsarchitektur sowie der Denkmalpflege.
Und das sei hier gleich zu Beginn gesagt: Das Buch sollte in keiner Landesregierung, Landratsamt oder Rathaus fehlen. Zu wünschen wäre darüber hinaus, wenn die hier gewonnenen Erkenntnisse einer breiten Leserschicht recht bald zugänglich gemacht würden.

Die Entdeckung der historischen Kulturlandschaft ist keineswegs neu. Wahrgenommen hat sie im 14. Jahrhundert bereits der Dichter Francesco Petraca, wie Achim Hubel in seiner Einleitung feststellt, auch wenn die Entwicklung in unserer Zeit, besonders im Rahmen der Flurbereinigungen nach dem Zweiten Weltkrieg, radikal und nur sehr selten glücklich verlief und die einstige Kulturlandschaft meist nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten neu geordnet wurde.
Zwar schärfte sich das Bewusstsein für die Kulturlandschaft seit den 1968 Jahren wieder etwas, doch werden ihre Schutzwürdigkeit und die damit verbundenen historischen Kenntnisse bis heute ungenügend gewürdigt. Damit der Leser weiß, worum es geht, wenn man von Kulturlandschaft spricht, entwickelt Andreas Dix zunächst die Grundsätze einer Definition und Bewertung der historischen Kulturlandschaft. Gerhard Hard zitierend legt Dix dar, dass es sich häufig nur um minimale, sehr mittelbare, abgeleitete und entfernte Effekte handelt, Fundgruben von „Spuren“ vergangener Ereignisse, Relikte vorindustrieller Energiegewinnung, historische Wegstrecken oder wassertechnische Anlagen. (S. 25). Letztere sind heute mehr denn je durch die von der EU verordneten Wasserrahmenrichtlinien gefährdet, die ihrem Schutz entgegenstehen.
Weitere Abgrenzungen zum Begriff Kulturlandschaft unternehmen Hans-Rudolf Meier und Thomas Gunzelmann. Während Meier sich der Abgrenzung städtebaulicher Denkmal- und Kulturlandschaftspflege in Verbindung mit der aktuellen Gesetzgebung an Beispielen wie Dresden widmet und zu dem Postulat gelangt, „dort, wo die Grenzen zwischen Stadt und Land noch sichtbar, die Übergänge noch definiert sind, diese zu bewahren“ (S. 37), betrachtet Gunzelmann die Abgrenzung von Kulturlandschaft aus einer anderen Perspektive. Gunzelmann betrachtet die Kulturlandschaft als Ergebnis von Wechselwirkungen naturräumlicher Gegebenheiten und menschlicher Einflussnahmen im Lauf der Geschichte. (S. 44). Während den Raum einer Denkmallandschaft bauliche Denkmale organisieren – was Gunzelmann beispielhaft für Coburg darstellt – „bleibt die Landschaft als Fläche merkwürdig blass und wird allenfalls mit Strukturen wie Alleen, Sichtachsen, Darstellungen in der bildenden Kunst oder literarischen Texte verbunden“. Das können auch Nachbargemeinden sein, die in dieser Sichtweise „nur“ Punktelemente sind, die wiederum ineinandergreifende Zeitschichten wiederspiegeln.

Volkmar Eidloth unternimmt in seinem Beitrag zum Schutz historischer Kulturlandschaften aus denkmalfachlicher Sicht eine kritische Bestandsaufnahme zur Verleihung des begehrten Titels „Weltkulturerbe“. Zwar begrüßt Eidloth die grundsätzliche Entscheidung, auch Kulturlandschaften als Weltkulturerbe unter Schutz zu stellen, doch warnt er davor, dass bei „Dominantenlandschaften“, wie er diese tituliert, der touristische und damit kommerzielle Entwicklungsgedanke gegenüber dem Erhaltungsauftrag Vorrang genießt. Das heißt, das Einzeldenkmal steht weiterhin im Mittelpunkt, während die räumlich-strukturelle geschichtliche Überlieferung der Landschaft in den Hintergrund tritt. So unglücklich es nun um den Erhalt des Kulturerbes „Dresdner Elbtal“ stehen mag, so begrüßt Eidloth in diesem Fall die Aberkennung des Titels. (S. 60)

In weiteren sechs Kapiteln werden einzelne bestimmende Elemente und Strukturen historischer Kulturlandschaften betrachtet. Claudia Mohn gibt einen Werkstattbericht zur Bauforschung in historischen Terrassenweinbergen in Baden-Württemberg. Hans-Joachim Dreger nimmt sich historischer Alleen an, während Michael Kriest den Stellenwert des Reichsautobahnnetzes untersucht. Oliver Martin betrachtet den Schutz und das Management der Welterbestätte „Rhätische Bahn“ in den Schweizer Alpen, während Birgit Franz und Georg Maybaum am Beispiel eines Getreidespeichers in Holzminden reichstypische Speicher als dominante Zeitzeugen in unterschiedlichen Kulturlandschaften untersuchen..
Einen ganz anderen Blickwinkel nimmt Dominique Flieger in ihrem Beitrag zur „Verlustlandschaft“ ein, dem Waldhufendorf Naklerov (Nollendorf) im Böhmischen Erzgebirge. Flieger betont den Wert einer Erinnerungskultur, die, wenn das Bewusstsein über den Untergang einer Landschaft lebendig gehalten wird, Flieger am Ende Karl Schlögel 2003 zitierend wie folgt beschreibt: „Orte der Vertreibung und des Bruches könnten Orte der Verknüpfung, vielleicht auch der Stiftung von Kontinuität über Grenzen und Brüche hinweg werden.“(S. 116)
Der dritte Abschnitt beschäftigt sich mit dem denkmalpflegerischen Umgang mit historischen Kulturlandschaften ausgehend von entsprechenden Konsequenzen für die Denkmalpflege. Bernd Euler-Rolle gibt in seinem Beitrag zu bedenken, dass in der gesellschaftlichen Rezeption weniger die historische Faktenlandschaft im Vordergrund steht, sondern die Geschichtlichkeit an sich, die den Betrachter über Lebenszusammenhänge aufklärt und diesen quasi in diese Zusammenhänge einbettet. Ähnlich dem Verlangen, Familienfotos anzufertigen von Ereignissen, die es den Teilnehmern ermöglichen, im kollektiven Familiengedächtnis bewahrt zu werden. (S. 126)
Waltraud Kofler Engl, berichtet über Erfahrungen im Umgang mit historischen Kulturlandschafen in Südtirol, wo in den Landschaftsschutzplänen auch Panzersperranlagen aus dem Zweiten Weltkrieg aufgenommen werden. Mit ähnlichen Raumplanungen, aber weiträumiger angelegt, befasst sich Heinrich Walgern in seinem Beitrag zur Landesentwicklungsplanung in Nordrhein-Westfalen und stellt fest, dass die Erhaltung und Entwicklung von Kulturlandschaft so komplex sei, dass sie nur interdisziplinär bearbeitet und vermittelt werden könne. (S. 145)

Stefan Breitling nimmt wiederum das in allen Tourismussparten gern gesehene Thema der Burgenlandschaften auf und betont, dass bei allem Nostalgiebestreben gegenüber von Burganlagen die Darstellung ihrer Umgebung ebenfalls einer besonderen kulturellen Wertschätzung bedarf. Diesem Beitrag schließt sich der von Rainer Drewello an, der am Beispiel von vier Burgen in der fränkischen Schweiz sein besonderes Augenmerk auf den Erhalt von Mauerwerk richtet und Konflikte aufdeckt, die es zwischen Naturschutz und Denkmalschutz zu beseitigen gilt.
Eher städtebauliche Gesichtspunkte nimmt Achim Hubel auf , indem er die Entwicklung der Klosterlandschaft von St. Michael, ebenfalls ein Welterbe der UNESCO, in Bamberg darlegt, die 2012 in die Landesgartenschau integriert und von einem Forschungsprojekt begleitet werden sollen, mit dem Ziel, historische Aspekte der Landschafts- und Gartennutzung aufzuarbeiten, um sie durch eine fundierte Planung wieder zu reaktivieren.
Während sich abschließend Norbert Schöndeling mit der Kulturlandschaft als wesentlichem Bestandteil von detaillierten Denkmalpflegeplanungen auseinandersetzt, die auch die Entwicklung von Siedlungsräumen zu erfassen haben, richten Peter Burggraaff und Klaus-Dieter Klefeld ihr Augenmerk auf die digitale Inventarisierung historischer Kulturlandschaften.

Etwas außer der Reihe folgt ein Beitrag zur „Dachlandschaft – Konstruktionslandschaft“ mit dem Untertitel „Zu den Wechselbezügen von Landschaft, Holzart und Dachgerüsten“ von Thomas Eissing, bevor in der Schlussdiskussion sich die beteiligten Beiträgler der Situation in der universitären Ausbildung annehmen.

Die Jahrestagung des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V. begleitete eine Ausstellung, begleitete die Ausstellung "Split - Stadt & Diokletianspalast: eine Symbiose?", die hier nicht unerwähnt bleiben soll. Sie stellte Ergebnisse aus dem DFG-Projekt "Stadterhaltung Split" dar, die von Ingrid Brock in der vorliegenden Publikation zusammenfassend erläutert werden.

27.05.2011
Gabriele Klempert
Historische Kulturlandschaft und Denkmalpflege. Definiton, Abgrenzung, Bewertung, Elemente, Umgang. Hrsg.: Arbeitskreis Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V.;237 S. 30 x 21 cm. Pb. EUR 24,80
ISBN 978-3-940751-27-0
 
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