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Hans Thoma zwischen Poesie und Wirklichkeit

Er galt als der „Lieblingsmaler der Deutsche“, aber er hatte einen langen und steinigen Weg zu dieser Stufe der Verehrung. Der Maler Hans Thoma (1839–1924) war 51 Jahre ehe er wirtschaftliche Erfolge mit seiner Malerei feiern konnte. Dass er dann in kürzester Zeit so beliebt werden konnte, daran dürfte auch seine mit dem malerischen Erfolg vollzogene Hinwendung zur Druckgraphik einen Anteil gehabt haben. Nicht nur, dass er seine Gemälde in Graphiken übersetzte, diese Graphiken wurden wiederum vielfach reproduziert. Ehe er sich mit der Kaltnadelradierung einer sehr zeichnerischen Art der Druckgraphik zuwendete, experimentierte er mit den neuesten Techniken des Flachdrucks wie der Tachographie, die es dem Künstler erlaubt in einem dem Offsetdruck vergleichbaren Verfahren die Seitenverkehrung des Motivs beim Drucken nicht extra berücksichtigen zu müssen. Auch die erst aufkommende lithographische Variante der Algraphie – Lithographie auf Aluminiumplatten – verwendete Thoma gerne. In all diese technischen Aspekte führt der Katalog, der zu Thomas 100. Todestag von den Städtischen Museen Freiburg herausgegeben wurde, anschaulich ein.
Neben dem Gedenktag war die Erwerbung einer umfassenden Sammlung von Druckgraphiken Thomas aus dem Schweizer Kunsthandel der Anlass für die Ausstellung und den umfassenden Katalog. Der Leiter der graphischen Sammlung der städtischen Museen in Freiburg, Felix Reuße, erläutert die Provenienz der Sammlung, soweit sie sich heute auflösen lässt. Sie stammte von dem jüdischen Sammlerpaar Alice und Louis Koch, mit denen Thoma selbst noch in Kontakt gestanden hatte. Aus diesem persönlichen Kontakt resultiert auch, dass die Sammlung seine frühen, sehr seltenen Drucke in besonders prächtigen Exemplaren umfasst, so dass sich in Freiburg nun eine der besten Sammlungen seiner Druckgraphik befindet. Da die Stadt keinen direkten Kontakt zu dem badischen „Nationalkünstler“ Thoma hatte, war die Thoma-Sammlung dort ansonsten ausgesprochen schwach. Er wurde hingegen in Frankfurt, seinem langjährigen Arbeitsort, und vor allem Karlsruhe, dem Ort seiner letzten Arbeits- und Lebensjahrzehnte, intensiv gesammelt und bis heute gelegentlich ausgestellt.
Der Katalog dokumentiert die Druckgraphiken in thematischen Gruppen, was beim Lesen viel spannender und kenntnisfördernder ist als etwa eine chronologische Abfolge. Da er mit üppigen Vergleichen und der im Michael Imhof Verlag gewohnten hervorragenden Bildqualität die Bezüge zum zeichnerischen und malerischen Werk des Künstlers vorbildlich herstellt, ist er zudem weit über einen üblichen Sammlungskatalog hinaus eine umfassende Monographie zu diesem Künstler geworden. Das ist heute nicht selbstverständlich, denn nach seinem Tod und vor allem nach der missverständlichen Verklärung seiner Werke im Nationalsozialismus war Thomas Werk für Jahrzehnte in der Versenkung verschwunden. 2023 wurde er anlässlich der Verleihung des Baden-Württembergischen Staatspreises für bildende Kunst vom Preisträger sogar ziemlich unreflektiert als Antisemit diffamiert, was zur Umbenennung des „Hans-Thoma-Preises“ führte und zu einer heftigen Fachdebatte.
„Hans Thoma zwischen Poesie und Wirklichkeit“ führt hingegen wieder zu seinen Werken zurück ohne deren zeitgebundene Widersprüchlichkeit glattzubügeln. Einleitende Essays unter anderem zu den Drucktechniken und zu den bei Thoma wichtigen Themen der Bilderrahmen und des Kunsthandwerks runden den Blick auf das Werk des Künstlers ab. Die eigentlichen Katalogkapitel etwa zu den Landschaftsdarstellung, den Porträts oder auch Thomas‘ Begeisterung für Richard Wagner regen zur kritischen Auseinandersetzung mit seinem Werk an. Die Druckgraphik ist dabei ein guter Ausgangspunkt, denn es handelt sich bei ihr um kein Randphänomen seines Werks. Vielmehr vermittelt sie ein Grundverständnis seiner Kunst, deren Bildgegenstände uns heute zeitgebunden und sogar befremdlich erscheinen können. Man muss sich aber vor Augen führen muss, dass sie für die symbolistische Kunst und den Jugendstil im Deutschland der Zeit um 1900 ein ebenso prägendes Vorbild waren wie die Kunst von Thomas Freund Arnold Böcklin.

02.04.2025
Andreas Strobl
Hans Thoma zwischen Poesie und Wirklichkeit. Augustinermuseum Freiburg: Hrsg.: Reuße, Felix; Unter Mitarbeit von León, Adila Garbanzo; Iehl, Hélène. . 256 S. 317 fb. Abb., 3 sw. Abb. 28 x 24 cm. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2024. EUR 34,95. CHF 40,20
ISBN 978-3-7319-1438-9   [Michael Imhof]
 
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