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Leben im Exil. |
Kunsthistoriker:innen unterscheiden sich von anderen ihrer Zunft indem sie in ihren Texten zunehmend einen eigenen Sprach- und Wahrnehmungsstil entwickeln. Zu Autoren, die, wie beispielsweise Martin Warnke, Wolfgang Kemp oder Horst Bredekamp im Laufe ihres langen Forscherlebens eine sehr eigenständige Signatur ihres Denkens entwickelt haben, gehört sicher auch der 1944 in Prag geborene Werner Busch. In seinem achtzigsten Lebensjahr hat dieser nun unter dem vieldeutigen Titel "Leben im Exil" einen Rückblick der besonderen Art gewagt; in elf Kapiteln erzählt der renommierte frühere Berliner Professor für Kunstgeschichte von prägenden Begegnungen mit älteren Kunsthistorikern, die zum Großteil als (jüdische) Emigranten die Kunstgeschichte nach 1945 nachhaltig prägten: unter ihnen so angesehene Autoren-Forscher wie Fred Licht, Leopold Ettlinger, Max J.Friedländer und Ivan Nagel; einleitend widmet sich Busch jedoch der Lebensgeschichte seines eigenen Vaters gegen Ende des Krieges in Prag.
Buschs zum Teil sehr persönliche Erinnerungen an diese ihn prägenden Begegnungen bestechen nicht nur durch ihre Sorgfalt und Genauigkeit, den empathischen Blick für sein jeweiliges Gegenüber. Zeit seines Lebens fragte sich der Autor, was gerade ihn, den Sohn des früheren Direktors der Bremer Kunsthalle Günter Busch, mit den Schicksalen dieser Emigrantengeneration geistig verbunden hat und macht nun diese Auseinandersetzung in unterschiedlichen Erzählungen und Kontexten immer wieder mit hohem Ethos zu einem Denkraum auch seiner eigenen Biographie als Forschender. Es entsteht so ein ungemein facettenreiches Bild einer bundesdeutschen Kunsthistoriker-biographie in der ihr Autor in immer wieder neuen Anläufen den Versuch unternimmt, sich seiner eigenen geistigen Unabhängigkeit in einer zunehmend verstörenden Gegenwart zu vergewissern. Es gelingt Busch so auf eindringliche Weise Kunstgeschichte als lebenslange Auseinandersetzung mit ihren Verstörungen und inneren Widersprüchen ins Bild zu setzen. Zu den Leistungen dieses Rückblicks gehört es, dass ihr Autor sich nicht von der Verantwortung gegenüber seines Anspruchs als Forschender stiehlt und sich "geistig ehrlich" macht. Daß Busch etwa Künstler wie Hogarth, Goya und C. D. Friedrich als Antipoden ihrer jeweiligen Zeit begreift verrät einiges auch über ihn, der wohl den Anspruchsvoll-Stillen und eher Hintergründig-Aktiven seiner Disziplin zugerechnet werden kann.
02.04.2025 |
Michael Kröger |
Leben im Exil. Begegnungen mit Emigranten der Kunstgeschichte. Busch, Werner. 112 S. 29 fb. Abb. 24 x 17 cm. Deutscher Kunstverlag, Berlin 2024. EUR 28,00. |
ISBN 978-3-422-80253-7
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