KunstbuchAnzeiger - Kunst, Architektur, Fotografie, Design Anzeige Verlag Langewiesche Königstein | Blaue Bücher
[Home] [Kunst] [Rezensionen] [Druckansicht]
Themen
Recherche
Service

[zurück]

Gerhard Richter - Der unbedingte Maler

Dieser Band des früheren Direktors der Hamburger Kunsthalle Uwe Schneede verschafft Übersicht und Einsicht - hier besonders in die Arbeitsmethoden und Denkwelten des heute weltweit anerkannten deutschen Malers Gerhard Richter. Warum dieser hier laut Untertitel als "Der unbedingte Maler" geschildert und gefeiert wird, gelingt dem Autor in immer wieder neuen Anläufen fast systematisch zu erkunden. Diese Studie oszilliert dabei sensibel und überaus kenntnisreich zwischen Details und ästhetischen, biographischen und erweiterten sozialen Zusammenhängen. "Es ist nicht mehr möglich zu malen, aber Gerhard zeigt uns, dass es doch möglich ist... Wir wussten alle, es ist vorbei. Man kann nicht mehr abstrakt malen, aber hier ist es." lautet ein Redezitat des Künstlers Lawrence Weiner, über dessen Äußerung Richter - so Schneede - sehr erfreut war. Kann man Richters Welt-Erfolg als Künstler überhaupt noch steigern und wenn ja wie? Diese offene Frage schwebt über Schneedes Untersuchung wird aber zumindest nicht direkt von ihm beantwortet.

Wie ist Richter als bekennender Traditionalist am Ende zu einem absoluten Neuerer geworden? So fragt Schneede in seinem Schlusskapitel. Trotz aller im Werk permanent spürbaren inneren Ambivalenz, Widersprüchen, Selbstkritik und Fremdheit dieses inzwischen sehr weit durchdeklinierten Lebenswerkes bleibt das Geheimnis Gerhard Richters am Ende immer noch seltsam - und zum Glück für uns Betrachtende! - doch merkwürdig intransparent. Immer hat sich Richter auf einen "Ort dazwischen" bezogen: Zwischen Foto und Bild, Reflexion und Verarbeitung, zwischen gegenständlicher Referenz und abstrahierender Indirektheit seiner persönlichen Ost-West-Biographie und kunsthistorischen Quellen. Ob Richter dabei eher als Selbst-Beobachter des westlichen Kunstsystem oder kritischer Skeptiker in die Kunstgegenwart der Moderne eingehen wird bleibt bewusst als Fragestellung unbeantwortet. Richter hat sich so Schneede immer wieder anders mit Störungen, Unwägbarkeiten und Verunklärungen im Bild und als Bild beschäftigt. Ob daraus immer hochgradig bedeutende Kunstwerke entstanden hat Richter wohl nur interessiert indem er auch an seinem Status als globaler Künstler arbeitete. Der große Vorteil dieser eindrucksvollen, sorgfältig komponierten Studie Schneedes liegt in dessen sehr gut lesbaren Übersicht über die vielfältigen Problemgeschichten dieses Malers. Ziel des Autors war es die Bild- und Bildungsgeschichte eines Malers und nicht etwa dessen weitverzweigte und smarte Karriereplanung am Übergang vom 20. zum 21. Jahrhundert nachzuzeichnen. Richter ist wohl die Unwahrscheinlichkeit gelungen sich soweit wie möglich in die Paradoxien des spätmodernen gemalten Bildes zu vertiefen und sich andererseits als selbstwidersprüchlicher Siegerkünstler par excellence zu behaupten. Dass Schneede dabei als koproduzierender Autor an diesem Lebenserfolg mit diesem Band quasi seinen Anteil hat ist ihm kaum vorzuwerfen - ganz im Gegenteil.

PS: In einem gerade erschienenen Interview zum Geheimnis des Erfolgs von Gerhard Richter befragt, antwortet Uwe Schneede: "Vielleicht ist es eine Tatsache, dass der Vielfalt seines Werks nicht ohne Weiteres beizukommen ist. Dass das Geheimnis immer präsent und dass man auf eine direkte Weise trotzdem beeindruckt ist von den überaus präsenten Werken, die immer etwas einerseits Zurückhaltendes und andererseits Herausforderndes haben." (FR. v. 18. 9. 2024)

01:12:2024

Michael Kröger
Gerhard Richter. Der unbedingte Maler. Schneede, Uwe M. 232 S. 125 fb. Abb. 24x 19cm. Gb. C.H. Beck Verlag, München 2004. EUR 34,00.
ISBN 978-3-406-82149-3   [C. H. Beck]
 
© 2003 Verlag Langewiesche [Impressum] [Nutzungsbedingungen]