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Kreis! Quadrat! Progress! |
Zürichs konkrete Avantgarde
Anders als in Deutschland, wo kaum mehr als Anton Stankowskis Logo für die Deutsche Bank und Günter Fruhtrunks Entwurf der Aldi-Tüte Prominenz erlangt haben, gehören der Konstruktivismus und die Konkrete Kunst zur Klassik moderner Schweizer Kunst und Schweizer Grafikdesigns. Das wird einem nicht zuletzt bewusst, wenn man eidgenössische Banknoten im Portemonnaie hat.
Abseits der ungezählten Bände monografischer Literatur zu den Schweizer Konstruktiven und konkreten Künstlern nimmt sich der kongenial gestaltete Band „Kreis! Quadrat! Progress! Zürichs konkrete Avantgarde“ dem Netzwerk der Bewegung an und führt in die spannende Geschichte der Schweizer Moderne ein. Ausgehend von den Dadaisten ist die Geschichte der konstruktivistischen Avantgarde der Schweiz auch eine Geschichte der Migranten und der Migrationen: Während des Ersten Weltkriegs versammelten sich die unterschiedlichsten Vertreter der europäischen Avantgarde in der neutralen Schweiz. Hans Arp und Tristan Tzara gehörten dazu, die mit der holländischen de Stijl-Bewegung verbunden waren. Den Schweizer Max Bill wiederum zog es 1927 zum Studium nach Dessau ans Bauhaus, während Le Corbusier bereits als europäischer Architekt aktiv war.
Mit der nationalsozialistischen Machtergreifung in Deutschland wurde die Schweiz erneut zum Exilort. Der einflussreiche Typograf Jan Tschichold emigrierte nach Basel, aus Stuttgart kam Camille Graeser nach Zürich, wo sich unter Sigfried Giedion als spiritus rector die künstlerische und gebrauchsgrafische Avantgarde um die programmatische Firma „wohnbedarf“ scharte. All dies trug dazu bei, dass die internationale konkrete Avantgarde in der Schweiz eine Heimat und Betätigung fand. Die Kunst-, Design- und Kulturgeschichte der Schweizer Konkreten (die u.a. im Zürcher Museum „Haus Konstruktiv“ dauerhaft archiviert und präsentiert wird) dokumentiert die Neuerscheinung des – auf diese Themen spezialisierten – Zürcher Verlags Scheidegger & Spiess vorbildlich. Der selbstverständlich schnörkel- und serifenlos gestaltete Band lädt ein zum Lesen, zum Blättern und auf Entdeckungsreise zu gehen: Die Verbindungen der Schweiz zum Bauhaus werden hier ebenso aufgefächert wie die vielfältigen Anwendungsbeispiele konstruktivistischer und konkreter Gestaltung im gehobenen Schweizer Alltag – von der Büroausstattung bis zum Firmenlogo. Neben den vier Protagonisten der Züricher Konkreten, Max Bill, Richard Paul Lohse, Verena Loewensberg und Camille Graeser, sind auch weniger bekannte Künstlerinnen und Künstler neu zu entdecken. Und wem an einer schnellen Auskunft über die wesentlichen Akteurinnen und Akteure gelegen ist, dem bietet ein klug präsentierter Index konkrete Auskünfte über Namen, Orte und Begriffe der Konkreten.
04.10.2024 |
Rainer Stamm |
Kreis! Quadrat! Progress!. Zürichs konkrete Avantgarde. Max Bill, Camille Graeser, Verena Loewensberg, Richard Paul Lohse und ihr Umfeld. Hrsg.: Haemmerli, Thomas; Hrsg.: Ulmer, Brigitte. 336 S. 246 fb. und 15 s/w-Abb. 26,5 x 21,5 cm. Gb. Scheidegger & Spieß Verlag, Zürich 2024. EUR 48,00. CHF 49,00 |
ISBN 978-3-03942-163-3
[Scheidegger & Spiess]
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