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Unvergessene Vergangenheit:

Es ist, im wahrsten Sinne des Wortes, ein gewichtiges Buch, dieser neue, bei Taschen erschienene China-Band. „China. Porträt eines Landes“ heißt er, ist über 400 Seiten dick – und will weit mehr sein als ein Bilderbuch. Es ist ein Landesporträt, eine visuelle Zeitreise durch ein Riesenland, das sich in den vergangenen Jahren so grundlegend verändert hat. Es ist eine enorme Bildersammlung: Die Größen des politischen Lebens sind hier zu betrachten, genauso wie Arbeiter, Bauern und die Neureichen, die der chinesische Staat seit einigen Jahren hervorbringt – die ganze Geschichte des Landes seit 1949.

Der Band beginnt in der Ära Mao Zedongs, des Führers der Kommunistischen Partei Chinas. Da gibt es etwa jenes Bild, das Maos Leib-Fotografin Hou Bo gemacht hat – Mao nach einem rituellen Bad im Jangtse. Oder am Strand von Beidaihe. Ein netter Herr – und Vorsteher eines Schreckensregimes. „Dass ein Land dieser Größe so geschunden wurde, dass so viele Menschen gelitten haben, macht mich ungeheuer wütend“, so der Politikwissenschaftler und Herausgeber Liu Heung Shing, der selbst als Fotoreporter arbeitet und einige Bilder beigesteuert hat.

Den Tod Maos, die Studentenunruhen im Jahr 1989, das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens, den Bruder des letzten Kaisers, den Shing in der Verbotenen Stadt porträtiert hat – all das fotografierte Shing, doch die Hauptarbeit an diesem monumentalen Werk war die Sichtung der Archive der anderen Fotografen. 88 sind in diesem Band versammelt, mit Hunderten von Bildern. Da gibt es etwa die erniedrigenden Fotografien von Demütigungen der „Konterrevolutionäre“, die Jiang Shaowu in den Jahren der Kulturrevolution gemacht hat: wichtige visuelle Zeugnisse der Geschichte des Landes, die bisher kaum bekannt sind.

Wir sehen die Heerscharen von Zwangsarbeitern, die Hungerleider, all das Elend, all die Schwermut, all den verordneten Heroismus, das ganze hohle Pathos der Propaganda. „Mein Land hat sich bis zur Unkenntlichkeit verändert“, sagt der Herausgeber heute. Man merkt es beim Betrachten der neuen Bilder: Werbeplakate, Bilder aus Discotheken, Bilder eines Booms, der dennoch nicht vergessen lassen sollte: „Unvergessene Vergangenheit ist eine Anleitung für die Zukunft.“ So lautet ein chinesisches Sprichwort, das am Ende des (in diesem Umfang erstaunlich preisgünstigen) Bandes steht.
5.8.2009
Marc Peschke
Kynge, James /Smith, Karen: China - Portrait eines Landes. Hrsg. v. Liu Heung, Shing. 424 S. - 34 x 25 cm. Gb. Taschen Verlag, Köln 2008.EUR 49,99
ISBN 978-3-8365-0569-7
 
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