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Eine Oase der Ruhe – Der Nicht-katholische Friedhof in Rom

Bei Trip-Advisor rangiert er auf "Nr. 61 von 1.307 Aktivitäten in Rom", der cimetero acattolico, und ist doch immer noch eine Oase der Ruhe an der Stadtmauer. Beerdigt wird hier seit 300 Jahren, im Schatten der Cestius-Pyramide, einem 2000 Jahre alten Grabdenkmal. Venedigs Toteninsel und der Pariser Montmatre-Friedhof mögen prominentere Grablegen aufweisen, ein solches Umfeld und die Atmosphäre südlich-heiterer Besinnlichkeit finden sich nur hier.

Ursprünglich Beisetzungsort alleine für Nicht-Katholiken und deshalb "Protestantischer Friedhof" genannt, sind heute alle Religionen hier vertreten, Zoroastrier eingeschlossen. Der Landschaftsmaler Johann Philipp Hackert hat 1777 als einer der Ersten Pyramide und Gräber gezeichnet, später William Turner und Jean-Baptist Corot. Walter Crane malte die noch heute viel besuchten Gräber der englischen Vorzeigeromantiker Keats (1821) und Shelley (1822). Nun, im Gefolge der Aufklärung, in dominierender Detailsicht auf individuell gestaltete Grabsteine, auch Volfango Goethe, so heißt er hier, zeichnete an diesem Ort und so. Bertel Thorvaldsen fertigte das Grabmedaillon für seinen 1830 hier beerdigten Sohn August, noch auf seinem Grabstein ohne Vornamen als bloßer "Goethe filius" vom Vater dominiert. Zwei Söhne des preußischen Rom-Gesandten Wilhelm von Humboldt liegen unter schmucklosen Säulenstümpfen, Arthur Volkmann gestaltete Hans von Marees Grab (1887), das von Gottfried Semper findet sich hier und das trotz so etablierter Genderforschung wenig bekannte der Mäzenin Henriette Hertz. Ihr verdanken wir, heute Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte, die kunstwissenschaftliche Biblioteca Hertziana im Palazzo Zuccari. Den ließ 1816/17 der Nazarener-Mäzen Salomon Bartholdy (1853 hier beerdigt) mit Fresken ausmalen, die heute in der Berliner Alten Nationalgalerie zu sehen sind. Splitter aus deutscher Kultur- und Kunstgeschichte, die sich hier oft zu Erkenntnisbögen zusammenfügen.
Etwas überraschend dominieren jedoch nicht deutsch- sondern englischsprachige Künstler, Maler und Bildhauer, Reisende. Die ersten von ihnen kamen oft auf der Grand Tour nach Rom, Privatiers, Wissenschaftler, Diplomaten aus ganz Europa und den USA folgten. Das römische Leben der Wichtigsten aus all diesen Ländern, ihre Verbindungen, Verdienste, Probleme, finden sich hier oft kurz-übersichtlich beschrieben. Heute finden sich hier 2 500 Gräber, auch das des marxistischen Theoretikers Antonio Gramsci, es ist das wohl meistbesuchte italienische. Und auch die Schauspielerin Belinda Lee und der Beat-Generation-Dichter Gregory Corso ließen sich hier beerdigen, beide Außenseiter auf ihre Weise, doch keine religiösen mehr.

Vielleicht hat Edvard Munch die Atmosphäre dieses Ortes am eindrucksvollsten wiedergegeben. 1927 malte er das Grab (1864) seines Onkels, eines Historikers, farbenfroh expressiv zwischen violetten Steinen und leuchtenden Zypressen. Munch kam aus Berlin, wo ihm die Nationalgalerie eine erfolgreiche Retrospektive gewidmet hatte. Ein weiterer Fingerzeig darauf, wie sehr sich an diesem römischen Ort Kunst- und Kulturbeziehungen mit Deutschland widerspiegeln. Man wünscht sie sich in einem Kompendium versammelt, nach dem Lesen dieses Buches.

06.02.2017
Wolfgang Schmidt, Berlin-Friedenau
Der Nicht-katholische Friedhof in Rom. Seine Geschichte, seine Persönlichkeiten und sein Überleben seit 300 Jahren. Hrsg.: Stanley-Price, Nicholas. 2016. 155 S. 85 meist fb. Abb, 17 x 24 cm Pb. EUR 18.00
Bestellung unter htttp://www.cemeteryrome.it/Stanley PriceBuch.html.

ISBN 978-88-909168-1-6
 
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