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Auf den Spuren bekannter Gemälde

Dieser Reiseführer durch Graubünden ist unerschöpflich, bunt und abwechslungsreich wie der Inhalt eines Füllhorns: Nicht nur haben sich die beiden Autoren die insgesamt vierzehn Routen selbst erwandert und "erfahren", sie haben auch neunundzwanzig Bilder von insgesamt neunzehn, vor allem Schweizer Malern genauestens betrachtet. Dabei haben sie bei den jeweiligen Landschaftsporträts (anders kann man es nicht nennen!) den Standpunkt der Künstler eingenommen und sie fotografiert - was nicht immer möglich war (z.B. in der Viamala) und den Autoren Phantasie und Kreativität abverlangte. Diese Fotografien sind den Gemälden gegenübergestellt. Jeder, der in Landschaften genauso gern liest wie in Gemälden, wird hier auf seine Kosten kommen und während er die Zeit vergisst, Vergleiche anstellen können.

Aber bleiben wir bei der Kunst, denn sie steht im Vordergrund: Manche der Künstler sind nur in der Schweiz bekannt, manche sind aus deutschen Großstädten als Gäste gekommen und malten vor Ort die faszinierenden Graubündner Landschaften. Am bekanntesten der im Buch vertretenen Künstler sind Ernst Ludwig Kirchner, Ferdinand Hodler und Giovanni Segantini. Nicht erwartet hätte man in dieser Reihe Otto Dix, denn bei Landschaftsmalern würde man ihn nicht suchen. Menschenleer und abweisend sind seine Winterlandschaften "San Gian im Winter" und "Zwischen Samaden und St. Moritz" aus dem Jahr 1938; in einem der verschneiten Gebirgskegel meint man jedoch seine Handschrift zu erkennen. Jedenfalls sieht man den kriegstraumatisierten Dix mal von einer ganz anderen Seite. Schön, dass er auch diese Seite hatte.

Im Kapitel über das Ferienparadies Lenzerheide lernt man, dass es zwischen 1921 und 1948 parallel zu den sportlichen Wettkämpfen bei den Olympischen Spielen auch einen Kunstwettbewerb für die Sparte Grafik und Angewandte Kunst sowie für Literatur, Musik, Malerei und Bildhauerei gab. Einzige Bedingung: Es musste ein Bezug zum Sport erkennbar sein. Der heute völlig unbekannte Plakatmaler Carl Moos (1878-1959) hatte 1928 eine Silbermedaille als Werbegrafiker gewonnen; im Wanderführer ist eines seiner starkfarbigen Werbeplakate abgebildet, ein wahres Sehnsuchtsbild, auf dem eine Gruppe Rucksacktouristen ein Schweizer Landschaftspanorama bewundert.

Eine andere Besonderheit des Buches sind die "geognostischen Zeichnungen" (so die Eigenbezeichnung des Künstlers) des Hans Conrad Escher von der Linth (1767-1823), der mit dem gigantischen, in Braun, Gelb und Grün zart kolorierten Panorama "Von Vrin durch das Lugnetzerthal herab" von 1812 im Buch vertreten ist. Von dem unermüdlichen Reisenden sind 950 Aquarelle und über 200 Panoramen von zum Teil bis zu vier Metern Länge erhalten, die er außerdem präzise beschriftet und in Reiseberichten akribisch erläutert hat. Diese Arbeiten, die heute eine Fundgrube für Geographen und Kunsthistoriker sind, galten lange nicht als Kunst.

Man vertieft sich gerne in dieses Buch der Landschaften und deren Geschichten, des touristischen Aufschwungs und Scheiterns, der Maler, ihrer Familien und ihrer Werke; der Erzählstil der beiden Autoren ergreift auch diejenigen, die nur Zeile um Zeile, Bild um Bild im Geiste reisen. Ein lesens- und schauenswertes Buch für Kunst-, Schweiz- und Landschaftsliebende!

04.09.2015
Daniela Maria Ziegler
Wandern wie gemalt Graubünden. Auf den Spuren bekannter Gemälde. Michel Richter, Ruth; Richter, Konrad. 2. bearbeitete Auflage. 432 S., zahlr. Abb., 20 x 14 cm. Pb. Rotpunktverlag, Zürich 2015. EUR 39,00 CHF 43,00
ISBN 978-3-85869-594-9
 
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