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Neckar, Odenwald und Bauland

Dieser Landschafts-, Kultur- und Geschichtsführer über den Neckar-Odenwald-Kreis, eine der schönsten (und stillsten) Regionen Süddeutschlands, war längst überfällig und schließt somit eine Lücke. Was sich auf den 200 Seiten des reich bebilderten "Blauen Buches" verbirgt, ist erstaunlich: Nicht nur wird die Geschichte der Region von den Römern übers Mittelalter, die Kurpfalz über die Zeit der Aufklärung bis heute beschrieben, sondern es schließt sich auch ein ausführlicher Abschnitt von Margareta Sauer über die Zeit der Judenverfolgung an. Dann aber folgen wir der Autorin Gabriele Klempert auf ihren Rundfahrten - und halten dabei die vordere Umschlagklappe am besten offen, um auf der Karte ihre Route nachverfolgen zu können.

Ihre Tour beginnt in Hassmersheim, geht am Neckar entlang entgegen dem Uhrzeigersinn durch den Kleinen Odenwald (d.h. einem Teil davon, der andere gehört zum Rhein-Neckar-Kreis) bis Mosbach, dann schlägt sie einen weiten Bogen dem Uhrzeiger folgend über den Hohen Odenwald nach Buchen und Walldürn; eine Fahrt durchs Bauland rundet das Ganze ab. Wir folgen ihr von Ort zu Ort, von Städtchen zu Städtchen - die Ortsnamen finden sich zur leichteren Orientierung im Kolumnentitel wieder - und lassen uns zwischendurch auch gerne von Exkursen zum Wald als Wirtschaftsraum (Werner Kramer), zum Thema Rohstoffnutzung in alter Zeit am Beispiel der Kalköfen von Dallau und Neckarburken (Michael Hahl) sowie über antike, aber dennoch effektive Methoden zur Wiesenwässerung (Wolfgang Hauck) belehren.

Wer Fachwerkhäuser liebt, kommt zum Beispiel in Mosbach auf seine Kosten: Prächtig erhebt sich in eindrucksvoller Höhe das Palm'sche Haus (1610 erbaut) mit "Neidköpfen", architektonischer Schmuck vieler Fachwerkhäuser, die böse Geister abschrecken sollen. In Fahrenbach etwa findet man einen Eiskeller, der 1872 zwanzig Meter tief in die Erde gegraben wurde, um die Bierfässer des "Gasthauses Krone" zu kühlen - ein natürlicher Eisschrank sozusagen, wie man ihn nicht nur für die Gastronomie nutzte. In Mudau-Oberscheidental etwa kann man quasi mitten im Feld die gepflegten und gehegten Überreste eines römischen Kohortenkastells bewundern, das einst 500 Legionäre beherbergt hat. Geheimnisvoll und ein wenig bizarr ist die vermutlich noch aus vorchristlicher Zeit stammende Legende um die drei Jungfrauen, die in der Kirche St. Mauritius von Osterburken-Hemsbach lange von den Einheimischen verehrt wurden: Sie halfen bei Rücken-, Kopf- und Halsschmerzen, ihr Kult wurde jedoch von der kirchlichen Obrigkeit Mitte des 18. Jahrhunderts verboten. (Erinnern sie nicht ein wenig an die Matronenkulte vom Niederrhein, die auf keltische Zeit zurückgehen?)

Ein Höhepunkt für Groß und Klein ist die Tropfsteinhöhle von Buchen-Eberstadt, die ungefähr zwei Millionen Jahre alt ist: Die menschliche Phantasie hat den teils gigantischen Stalaktitengebilden Namen gegeben: Elefantenrüssel, Weiße Frau und Hochzeitstorte. Ein anderer Höhepunkt ist ein kleines Industriedenkmal aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts, die Lambachpumpe von Hornbach: Wegen Wassermangel hatte man Ende des 19. Jahrhunderts schon auf den Mobrunnen, eine Quelle auf Walldürner Gebiet, zurückgegriffen und mittels der Pumpe aus der Maschinenfabrik von Wilhelm Lambach die Bevölkerung zwischen 1924 und 1973 mit Wasser versorgt. Seit 1995 wird die alte Pumpe wieder benutzt und beweist ihre Funktionstüchtigkeit.

An berühmten Namen seien nur zwei genannt: der Architekt Egon Eiermann, vor allem bekannt durch den Neubau der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche mit den sensationellen blauen Fenstern sowie durch den Entwurf für das Kaufhaus "Horten" in Heidelberg: Er war nach 1945 von Berlin nach Buchen, die Heimatstadt seines Vaters, gezogen und hatte dort eine Reihe von Siedlungshäusern in Klinkerbauweise entworfen, die sogenannte Eiermann-Magnani-Siedlung. Eine zweite, weniger bekannte Berühmtheit ist Auguste von Pattberg, gebürtig aus Neunkirchen, die für die berühmteste Liedersammlung der Romantik, "Des Knaben Wunderhorn", zwei Lieder beisteuerte: Es steht ein Baum im Odenwald sowie Bald gras ich am Neckar.

Wer in der Gegend (zum Beispiel im Rhein-Neckar-Kreis) wohnt, hat's gut, denn ein Teil der von Klempert liebevoll beschriebenen Städtchen und Dörfer kann man mit S-Bahn oder Regionalbahn "erfahren". Klemperts Begeisterung steckt an - auch aufgrund der vielen schönen Fotografien und dem hervorragenden Sach- und Personenverzeichnis. Ein schmaler Band, der es wahrlich in sich hat!

17.07.2012
Daniela Maria Ziegler
Klempert, Gabriele. Neckar, Odenwald und Bauland. Geschichte und Kultur im Neckar-Odenwald-Kreis. 208 S., 400 fb. Abb. 25 x 17 cm. Klappenbroschur, Glossar, Register und Landkarten. Langewiesche Verlag, Königstein 2012. EUR 24,80.
ISBN 978-3-7845-4870-8   [Langewiesche - Königstein]
 
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