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Sich selbst überraschen - Gerhard Richters Florenz

Im Jahre 1966 notiert der 34jährige Gerhard Richter: "Ich verfolge keine Absichten, kein System, keine Richtung; ich habe kein Programm, keinen Stil, kein Anliegen" Der Künstler ist sich seither diesem Lebensziel treu geblieben: immer noch und immer wieder neu überrascht Richter sich und sein Publikum mit neuen, rätselhaften und doch programmatisch minimal variierten Werkserien. Übermalte Fotografien spielen seit 1989 eine bedeutsame Rolle im Werk des Künstlers; nach seinen Abstrakten Bildern aus den späten neunziger Jahren präsentiert er nun eine unter dem Titel Florenz vorgelegte Serie von etwa 100 kleinformatigen Fotografien im Format 12 x 12 Zentimeter - ausgerechnet dem genormten Standardmaß einer CD. Richter, der nie beabsichtigte es zu einer Art "Meisterschaft" zu bringen, experimentiert hier - scheinbar vordergründig auf die private Touristenfotografie anspielend - mit der wiederholten Befragung der Medien Malerei und Fotografie. Doch er eröffnet uns bewußt keinen Dialog. Richters Bilder sind hybride Wesen, sozusagen auf den Tag genau datierte Unbestimmtheiten - weder Fotografie noch Malerei, weder Illusion noch Wirklichkeit. Der fast in jedem seiner Bilder offenbar werdende, breite Strich des Spachtels, mit dem er Farbflächen über der Oberfläche der Fotografie verteilt und anschließend gezielt-spontan wieder einiges wegwischt, verrät manches von seinem Arbeitsprozess. Der Traditionalist beharrt auf der Autonomie als grundlegender Instanz, die in seinem Machen zum Vorschein kommt. Der Betrachter wird von Richter überaus gefordert: er ist es, der die gemalten Widersprüche (zwischen subjektiver Beliebigkeit und objekthafter Bildhaftigkeit, zwischen Nähe und Distanz, zwischen Darstellung und Malerei usw. ) aushalten muß. "Es gibt keine guten und schlechten, sondern nur Bilder, die gemalt und Bilder, die nicht gemalt sind, - wobei Malen allerdings weiter gefaßt werden muß, als Pinsel und Tubeninhalte betätigen: als Kunst nämlich, sich selber Überraschungen zu bereiten; als die Kunst, mit der Leere der Leinwand Ernst zu machen ... als die Kunst, der Welt des Gegenüber den Abschied zu geben." Diese Erkenntnis von Albrecht Fabri (aus: Der schmutzige Daumen, Frankfurt 2000, S. 578) stammt aus dem Jahr 1986 und bezieht sich nicht auf das Werk von Gerhard Richter. Das souverän demonstrierte Deklinieren der Selbstüberraschung ist jedoch auch ein - mehr oder weniger überraschendes - Thema in Richters Florenz-Serie. Oder ist hier vielleicht doch ein "autonomes Programm" zum System geworden?
31.8.2001
Michael Kröger
Gerhard Richter. Firenze. 100 übermalte Photographien. Text v. Elger, Dietmar. 2001. 144 S. 21 cm. 2001. Ln EUR 29,80
ISBN 3-7757-1058-2
 
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