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Tempel der Kunst. Die Entstehung des öffentlichen Museums in Deutschland 1701-1815

Bei dem Zabern-Titel zur „Entstehung des öffentlichen Museums in Deutschland 1701 - 1815“ handelt es sich um ein Seminar-Projekt, das von Lehrenden und Lernenden des Instituts für Geschichte und Kunstgeschichte sowie dem Frankreichzentrum der Technischen Universität Berlin gemeinsam veranstaltet und unter Aufbietung mehrerer Kräfte zum Buch gemacht wurde. Die einzelnen Beiträge stammen von Studierenden; die Herausgeberin Bénédicte Savoy, der Direktor des Frankreich-Zentrums Etienne Francois, der Institutsleiter Adrian von Buttlar sowie Spezialisten für das Thema Deutsche Museumsgeschichte verfassten die einführenden Essays. Dort fragen die AutorInnen beispielsweise nach der Definition von „Museum“ sowie nach dessen Wissenschaftlichkeit, Zugänglichkeit und Gemeinnützigkeit, beleuchten das Zeitalter der Haupt- und Residenzstädte und untersuchen die Gemäldegalerien als Gesamtkunstwerke, danach beginnt die „Reise durch deutsche Museen des 18. Jahrhunderts“.

Der Ursprung unseres heutigen Museums ist höfisch. Die einzelnen Galerien und Museen, die zwischen 1701 und 1815 bestanden und für Besucher (weitgehend) allgemein zugänglich waren, sind von den jeweiligen Landesfürsten gegründet worden: die Gemäldegalerie in Saldahlum bei Braunschweig sowie das Kunst- und Naturalienkabinett ebenda, die Düsseldorfer und die Mainzer Gemäldegalerie, die Antikensammlung sowie die Gemäldegalerie in Dresden, die Kasseler Gemäldegalerie sowie das dortige Museum Fridericianum, die Bildergalerie von Sanssouci bei Potsdam, das Königlich Academische Museum in Göttingen, die k.k. Bilder-Gallerie im Oberen Belvedere in Wien, die Hofgartengalerie zu München sowie der Antikensaal der Mannheimer Zeichnungsakademie. Nach nahezu 100 Jahren Bestand ist die Museumslandschaft in Deutschland im Winter 1806/1807 durch Napoleon durch Beschlagnahme und Abtransport von Kunstwerken weitgehend gemindert, wenn nicht völlig zerstört worden: Die „Sterbestunde einer historisch gewachsenen, vielfältigen und von aufklärerischen Idealen geprägten Museumslandschaft“ (so Savoy in ihrem Vorwort) markiert auch die zeitliche Grenze der vorliegenden Veröffentlichung.

Bei den stilistisch streng akademisch gehaltenen Beiträgen stehen die Geschichte der Sammlung, deren Begründer sowie Nachfolger, architektonische Gegebenheiten sowie Konzeption, Ankaufpolitik, Rezeption einzelner Stücke etc. im Vordergrund, weniger die präsentierten Stücke selbst. Im Anschluss an die lesenswerten und reich bebilderten Aufsätze findet sich als Besonderheit eine Quellensammlung zeitgenössischer Stimmen: Lob und Tadel, Begeisterung und Enttäuschung berühmter und weniger berühmter Besucher, die sich einerseits erhoben zeigten, andererseits auch manches zu kritisieren hatten. Die Zeitzeugnisse spiegeln nicht nur die jeweilige Sammlung und ihren Rang in der damaligen Museumslandschaft, sondern auch Erwartung und Haltung eines Bildungsreisenden des 18. Jahrhunderts.

Jedoch luden die vorgestellten Sammlungen nicht nur zum stillen Kunstgenuss ein, sondern auch zu künstlerischer Arbeit - wie der „Antikensaal in der Mannheimer Zeichnungsakademie“, dessen Anfänge ins Jahr 1707 auf den Kurfürsten Johann Wilhelm (1658-1716) zurückgehen. Dieser hatte nämlich in Florenz und Rom Abgüsse griechischer Skulptur aus klassischer und hellenistischer Zeit herstellen lassen. Unter dem kunstinteressierten und kulturell äußerst rührigen Kurfürst Carl Theodor, der ab 1742 regierte, erhielt die Sammlung ihren Platz in der Zeichnungsakademie, die Carl Theodors Haus- und Hofbildhauer Peter Anton von Verschaffelt leitete. Besonders hervorgehoben wurde von fast allen Besuchern, dass die Gipse frei drehbar gewesen seien, so dass Künstler - die stets unentgeltlich hier arbeiten durften - sie zum Zeichnen ins rechte Licht rücken konnten. Besonders Friedrich Schiller lobte in einer seiner Schriften angesichts der Gipse die „warme Kunstliebe eines deutschen Souverains“; der Dichter Jens Baggesen aber war weniger begeistert, er sprach gar von einer „Gipspolterkammer“.
5.2.2007


Daniela Maria Ziegler
Bènédicte Savoy (Hrsg.) Tempel der Kunst. Die Entstehung des öffentlichen Museums in Deutschland 1701-1815. 456 S., 244 Abb., 24 x 30 cm, Gb., mit Schutzumschlag. Ph. Zabern, Mainz 2006. EUR 59,90
ISBN 3-8053-3637-3
 
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