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Zur Diskussion gestellt: Der Bildhauer Arno Breker

Die Ausstellung nennt sich vorsichtig „Zur Diskussion gestellt - Der Bildhauer Arno Breker“. Diese Ausstellung über das Schaffen Arno Brekers als des bekanntesten Nazi-Bildhauers hat für viel Zündstoff gesorgt und fand zahlreiche Gegner wie Befürworter. Lehnten die einen sie bereits ab, ohne sie gesehen zu haben, hofften die anderen, sie möge zur Aufklärung darüber dienen, welche Konsequenzen aus der Günstlingskunst Brekers für Adolf Hitler zu ziehen seien.
Im einleitenden Kapitel fragt dann auch folgerichtig der Herausgeber und Kurator Rudolf Conrades, „Warum Breker“? Sein Fazit lautet, Zitat: „Man sieht einen Opportunisten, aber keinen Verbrecher“. Und er fügt hinzu, dass Breker zwar von Verbrechen gewußt habe, aber nicht die „Konsequenz zog, seinen glänzenden Aufgabenkreis samt exorbitanter Bezahlung und heraus gehobener Stellung in der Berliner Gesellschaft aufzugeben“. Conrades unterscheidet zwischen tatsächlich begangenen Verbrechen und einer „vorübergehenden“ Mitläuferschaft in den 62 Schaffensjahren Brekers (S. 26).

Heinrich Schwendemann erläutert im Kapitel „Bauen für Jahrtausende“ die wahnwitzige Großmannssucht der Nationalsozialisten und seiner Architekten, insbesondere Albert Speers, aber auch Hermann Gieslers und vieler anderer, die dem Wahnwitz Hitlers folgten und sich dem damit verbundenen gesellschaftlichen und materiellen „Erfolg“ nicht entziehen mochten. Besonders für Speers Bauten schuf Breker seine Skulpturen nur allzu gern, auch wenn dafür bestehende Wohnquartiere abgerissen wurden und aufgrund der Wohnungsnot jüdische Mieter in die Konzentrationslager deportiert wurden, was Breker gewußt haben muß (S. 57 f).

Iris Kalden-Rosenfeld fasst die Kunst Brekers im Kapitel „Künstler und Chamäleon. Herleitung und Formanalyse der Bildwerke Arno Brekers“ wie folgt zusammen: „Über den gesamten Zeitraum seines Schaffens erwies sich Breker als chamäleongleiches Wandeltalent, welches sein handwerkliches Können dazu nutzte, dem Zeitgeschmack entsprechend zu produzieren und damit den Vorstellungen der ihm nahe stehenden Auftraggeber Gestalt zu geben“ (S. 83).
Brekers eigentliche Kunst bestand im handwerklich perfekten Nachbilden gegebener Vorbilder. Orientierte er sich in der Frühzeit an den Werken Edwin Scharffs, Maillols und Rodins, wandte er sich Ende der zwanziger Jahre zunehmend antiken Vorbildern zu, die er in seinen Skulpturen „Zehnkämpfer“ und „Siegerin“ von 1936 für das „Haus des Deutschen Sports“ auf dem Berliner Olympiagelände in durchaus gekonnter Weise umsetzte. Wahrlich groteske Formen nahmen hingegen die im Auftrag Albert Speers geschaffenen Skulpturen für die Neugestaltung Berlins an: Hier wurden monumental geplanten, karikativ übersteigerten, an Michelangelo oder antike Vorbilder angelehnten Muskelmännern idealisierte stereotype Köpfe mit zeitgenössischen Frisuren aufgesetzt, die Hitlers Idealbild vom Menschen verkörpern sollten.
Die Zeit nach 1945 zeichnete sich durch Brekers verzweifelte Suche nach unverfänglichen Formen aus, die dahin führte, dass er sich auf das Anfertigen fotografisch exakter, aber völlig ausdrucksloser Porträts spezialisierte und hiermit durchaus seinen Kundenkreis bei Prominenten und Industriellen fand.

Bernd Kasten zitiert in seinem Kapitel „Arno Breker im Dritten Reich“ aus den Lebenserinnerungen Brekers von 1972 eine Passage über die 1933 aufmarschierenden SA-Kolonnen: „Eine neue Welt brach auf, deren Herkunft, Zielsetzung, Umfang mein Aufnahmevermögen überstieg“ (S. 86 ff). Kasten beschreibt dann folgend den Aufstieg Brekers, der seit 1939, nicht zuletzt aufgrund der sehr engen Beziehungen zu Albert Speer, mit lukrativen Aufträgen gepflastert war und auch Hitler geizte nicht, seinem „größten Bildhauer aller Zeiten“ üppige Sondervergütungen zukommen zu lassen.
Während andere Kunstkritiker Breker noch im Jahr 2002 mit der Behauptung entlasten, dass ein „Bildhauer, anders als ein Schriftsteller auf ‚kapitalkräftige‘ Auftraggeber angewiesen sei“ (S. 96), urteilt Kasten, dass Breker bis zu seinem Tode ein Nationalsozialist war und blieb.


Claudia Schönfeld beschreibt in ihrem Kapitel „Breker und Frankreich“ die frühe Schaffensperiode Brekers, die besonders von Auguste Rodin oder Aristide Maillol geprägt war und deutlich expressionistische Züge trug, sich aber im Laufe der Zeit antiken Vorbildern zuwandte. 1932 gewann Breker den Rom-Preis des preußischen Kultusministeriums, der ihn nach Rom führte, wo ihn Goebbels ermunterte, nach Deutschland zurückzukehren, da ihn dort eine große Zukunft erwarte. Doch Breker kehrte 1934 zunächst auf Bitten Max Liebermanns zurück, der seine Portraitkunst schätzte und hoffte, in ihm einen kritischen Künstler zu gewinnen, was sich als Irrtum erweisen sollte. Breker aber reichte die Auftragslage nicht, und so suchte er noch einmal Frankreich auf, wo er auf eine zunehmende Deutschfeindlichkeit zu stoßen glaubte, um dann endgültig nach Deutschland zurückzukehren. Sein inzwischen bestimmender Stil „antikischer Geschlossenheit und die glatte, perfekte Oberfläche“ öffneten ihm die Türen nationalsozialistischer Kunstauffassung. 1942 widmete man Breker eine Ausstellung in der Orangerie des Louvre, wenngleich diese Ausstellung weniger der freien Kunst oder Breker galt, als vielmehr dem nun „deutschen“ Stil Brekers, der auf diese Weise der Propaganda zwischen Nazideutschland und Frankreich diente. Viele französische Künstlerfreunde waren trotz mancher politischer Bedenken dennoch des Lobes voll und trugen auf diese Weise dazu bei, nicht nur den inzwischen strammen Nationalsozialisten Breker aufzuwerten, sondern damit auch den nationalsozialistischen Massenmördern unangemessene Ehre zu erweisen.

Im Kapitel „Der andere Breker. Engagement für politisch Verfolgte“ führt Rainer Heckel unter anderem für den als „Mitläufer“ bei den Nürnberger Prozessen verurteilten Breker Dokumente von Personen auf, denen Breker während des NS-Regimes geholfen habe. So sei Breker u.a. für Pablo Picasso, Werner Gilles, Ernst Schumacher und den Bildhauer Gerhard Marcks eingetreten.
Im Gegensatz zu Bernd Kasten entnimmt Hackel einem Brief Brekers an den Kunsthistoriker Albert Buesche vom 8. August 1946, der während der Okkupation in Paris als Theatereferent der Deutschen Botschaft tätig war, ein Schuldeingeständnis Brekers, der „schon früh den verbrecherischen Charakter des Regimes erkannt habe“ (S. 158).

Auch Bernhard Hoppe nimmt in seinem Beitrag „Die zweite Hälfte des Lebens. Arno Breker und die deutsche Öffentlichkeit nach 1945“ noch einmal Bezug auf Brekers Lebenserinnerungen in denen Breker sich rechtfertigt „er habe nichts anderes getan, als seiner Berufstätigkeit nachzugehen“ und „mit Politik habe seine Arbeit nie etwas zu tun gehabt.“ (S. 160). Das haben wohl auch Konrad Adenauer und Ludwig Erhard, Salvador Dali und andere so gesehen, die von Breker Porträts erbaten. In München erhielt Breker bald nach dem Krieg von den Jesuiten das Angebot, für die St. Michael-Kirche eine monumentale Plastik zu gestalten, was jedoch aufgrund von Protesten der SPD unterblieb.
Brekers Lebensstil blieb auch nach dem Krieg üppig. In einer Villa in Wemding, die der Ortsgruppenleiter und Bürgermeister Schneid Breker zur Verfügung gestellt hatte, räumte Breker für die Aufnahme von Flüchtlingen einige seiner Räume nur widerwillig. „Man lebe“, so die Witwe Brekers, „bescheiden“. Das waren 13 Zimmer, wie eine Randbemerkung eines Dokumentes ausweist.
Breker wurde 1948 als Mitläufer eingestuft und mit einer Geldstrafe von 100 DM sowie zur Zahlung des Verfahrens von 33.000 DM verurteilt, jedoch ist bis heute offen, ob und wann Breker diese bezahlt hat. Anders als Hackel sieht Bernhard Hoppe die Hilfe Brekers für verfolgte Künstler kritisch, da diese nur innerhalb seiner Machtstellung in dem von ihm akzeptierten Naziregime möglich war und darum mit politischem Widerstand nichts zu tun hat.
Doch Breker stilisierte sich nach dem Krieg als Opfer, was linke Gruppierungen empörte und ewig Gestrige Breker immer noch feiern ließ. Den Auftraggebern waren die politischen Verstrickungen Brekers gleichgültig, sie wünschten sich, geleitet von vertrauten Wahrnehmungen, weiterhin etwas, was als „schön“ und „verständlich“ galt.

Den Ausstellungsmachern mag nachgesehen sein, dass ohne die Einwilligung und damit auch Einflußnahme der Witwe Brekers diese Ausstellung nicht zustande gekommen wäre. Deutlich wird dennoch, was Geltungssucht und politische Ignoranz bewirken können. Insofern haben wir Grund, uns mit Arno Breker zu befassen. Da es nicht möglich war, Werke „entarteter“ Künstler Brekers Arbeiten gegenüberzustellen, bleibt am Ende doch ein wenig die Sorge, dass manche Neonazis sich dieser Ausstellung und einiger Zitate bedienen könnten. „Zur Diskussion gestellt“ muß Breker weiterhin bleiben. Vielleicht wagt sich an dieses Kapitel deutscher Kunstkritik demnächst ein größeres Haus, vorausgesetzt, dass alle Quellen aus dem Nachlass Brekers dann auch vorliegen.
3.11.2006
Gabriele Klempert
Zur Diskussion gestellt: Der Bildhauer Arno Breker. Hrsg. v. Conrades, Rudolf. 191 S., sw. Abb. 26 x 20 cm. Club Wien, Schwerin 2006. Kt EUR 14,85
ISBN 3-933781-50-7
 
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