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Schätze der russischen Metall-Ikonenkunst aus einem Jahrtausend

Die Bestände einer privaten, inzwischen recht bekannt gewordenen Sammlung russischer Ikonen aus Metall bieten überreiche Materialien für das hier angezeigte Buch. Es ist die bereits dritte Publikation des Verfassers, der mit Titeln wie "In Formsand gegossener Glaube" (1979) und "Heiligtümer aus dem Schmelztiegel" (2000) Aufmerksamkeit auf sich zog. Die Absichten des neuen Bandes sind auf Präsentation und detailliertes Studium seltenerer bzw. atypischer Motive und Motivkombinationen ge-richtet, darüber hinaus werden eigene Kapitel herausragenden Arbeiten in Grubenemail oder auch Varianten des grundlegenden Kreuzmotivs gewidmet. Kunsthistoriker werden sich besonders für das spezielle Problem von Meister- bzw. Werkstattsignaturen in dieser Gattung interessieren. Die Anschaulichkeit der Darstellung ist mit der farbigen Wiedergabe aller besprochenen Werke in Originalgröße gewährleistet.
Ein Anfangskapitel stellt Objekte aus der "vormongolischen" Zeit vor, vor allem Kreuze und Enkolpien aus Byzanz und - von dort geprägt - aus der Kiewer Rus. Diese teils abstrakten, teils figürlich bereicherten kleinen Werke können allerdings nur bedingt als Vorformen der jüngeren "Ikonen" verstanden werden, zumal wenn Beispiele aus dem Umkreis der berühmten Enkolpien mit reichster Bildausstattung in Niello oder der (von John A. Cotsonis veröffentlichten) mittelbyzantinischen, mit bildlichen Gravierungen ausgestatteten Prozessionskreuzen fehlen.
Abgesehen von solcherlei verständlichen Lücken ist die klare didaktische Ordnung des Buches positiv hervorzuheben. Der Leser wird in jedes Kapitel mit einer knappen Einführung begleitet, allen Objekten sind ausführliche Kommentare zu materiellen, technischen und ikonographischen, oft theologisch vertieften Fragen beigegeben. Dies ist um so wichtiger, als Kenntnisse zu christlichen Inhalten heutzutage eher rar geworden sind. Es ist dabei nicht selten reizvoll, dem Verfasser in der Erörterung gestaltlicher und bildgeschichtlicher Varianten zu folgen, individuellen Vorlieben in Patronaten und Frömmigkeitshaltungen nachzugehen und manchmal absonderlichen ikonographischen Spielformen nachzuspüren.
Für das erwähnte kleine, aber wichtige Kapitel über Signaturen sollte nachgetragen werden, dass sie relativ spät (19.Jahrhundert) und jeweils in sehr abgekürzter Form begegnen und darüber hinaus vorwiegend mit den Kreisen der Altgläubigen (Raskolniki) in Verbindung gebracht werden können. Weniger kohärent im Zusammenhang des Buches ist der Abschnitt über Kreuze/Kreuzformen verschiedenster Zweckbestimmungen. Auch soziologische Fragen sind nur sporadisch angesprochen. Immerhin kann festgehalten werden, wie sehr in der Zusammenstellung christlicher Themen persönliche und familien- bzw. hausgebundene Frömmigkeit zum Ausdruck kommt. In diesen Zusammenhang gehören auch die besonders sorgfältig gearbeiteten sog. Panhagla: kleine Trage- bzw. Reiseikonen, deren Motive und Symbole 'offensichtlich nach den Wünschen der Auftraggeber zusammengestellt sind. Die klappbaren, nur wenige Zentimeter großen "Ikonen" erfreuen sich bei den Sammlern und Kennern besonderer Vorliebe. Die beschriebenen Neuerscheinung - zusammen mit den beiden Vorgängerbänden - stellt im deutschen Sprachraum das reichhaltigste Kompendium zur Gattung der Metallikonen dar. Doch sollte auch festgehalten werden, dass es nach wie vor an einer streng wissenschaftlichen Aufarbeitung fehlt. Jüngste russische Publikationen mögen zeigen, dass auf diesem Felde auch bei uns weitergearbeitet werden sollte.
27.2.2006
Victor H. Elbern
Jeckel, Stefan: Schätze der russischen Metall-Ikonenkunst aus einem Jahrtausend. 2004. 224 S., 147 fb. Abb., meist fb. Abb. 25 cm. Ln. Rasch, Bramsche 2004. EUR 38,-
ISBN 3-89946-020-0
 
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