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ART WORKS

Mit einer neuen Reihe „Art Works“ präsentiert nun auch der Hildesheimer Gerstenberg Verlag seinen Lesern Werke zur zeitgenössischen Kunst. Dabei nimmt sich Art Works nicht einzelner Künstler an, sondern gruppiert Objekte und Installationen nach Themen und Trends, die sich dem Leser in einer Folge von Räumen erschließen, ergänzt mit kurzen Erläuterungen über jedes einzelne der dargestellten Werke. Böse Zungen könnten diese neue Reihe zur zeitgenössischen Kunst als eine zu schmähende „Häppchenkultur“ bezeichnen, zumal den meisten Künstlern längst umfassende Monographien gewidmet wurden. Jedoch bietet Art Works durchaus einen raffinierten Kunstgriff, der es besonders Neulingen in diesem nicht ganz einfachen Gelände erleichtert, sich ohne viel Vorwissen der zeitgenössischen Kunst an beispielhaft aufgezeigten Werken ausgewiesener Künstler diesem Metier zu nähern.
Band 1 beginnt – nicht ohne Logik – mit einer Sammlung von „Autobiographien“. Barbara Steiner, Leiterin der Galerie für zeitgenössische Kunst in Leipzig und Jun Yang, ein Künstler mit sowohl asiatischer als auch europäischer Biographie, stellen entsprechende „Stellungnahmen“ von 38 Künstlern vor, die sich mit der Problematik ihrer Identität auseinander setzen. Einige legen die intimsten Details ihres Lebens bloß, andere verstecken sich hinter einem Alter Ego oder einem sorgfältig designten Image. Andere wiederum meinen, ihre Existenz mit den schlichten Tatsachen ihrer Alltagsroutine beweisen zu können oder versuchen, sich mit den Mitteln der Selbstreflexion zu begreifen. Doch so verschieden die Konzepte auch sind – alle teilen die Skepsis einer authentischen, wie an einem roten Faden hängenden Lebensgeschichte.
Steiner und Yang haben mit Absicht künstlerische Positionen ausgewählt, die diese Authentizität von Autobiographie in Frage stellen: „Manche Werke geben vor, authentisch zu sein, bis sich herausstellt, dass sie total von den Massenmedien infiziert sind“. Darum haben sie mit Absicht auch auf einen Beitrag von Joseph Beuys verzichtet, da dieser der Meinung war, dass es für ihn so etwas wie eine authentische Lebensgeschichte und damit eine definierbare Identität nicht gegeben habe, was sich inzwischen allerdings immer mehr als Mythos erwiesen haben soll.
Unter dem Titel „Autobiographie“ fächern die Autoren in einem Rundgang durch eine Ausstellung zehn Leitthemen auf (u.a. Rassismus, Fakten, politische Systeme), indem sie die unterschiedlichen Sichtweisen der „Ichs“ wie in einem Puzzle zusammenfügen. Auf diese Weise geben sie dem Leser nicht nur die Möglichkeit, deren Kunst besser zu verstehen, sondern auch das eigene Leben und die Welt aus ganz anderer Sicht neu wahrzunehmen.
Der 2. Band der Reihe Art Works widmet sich dem Thema „Geld“. Katy Siegel, Professorin für Kunstgeschichte in New York und Paul Mattick, Professor für Philosophie in Long Island zeigen, welche Bezüge 42 Künstler zwischen Kunst und Kommerz ausmachen. „Money makes the world go round“. Von der Wahrheit dieses Satzes ist auch die Kunst nicht ausgenommen. Das wird Künstlern bereits klar, wenn sie entscheiden müssen, welche Art von Werk sie schaffen wollen. Handelt es sich wie etwa bei Andreas Gursky um wandhohe Fotografien, muß ein Künstler tief in die Tasche greifen. Auf eine originelle Idee sind „The Art Guys“ aus Texas gekommen: Sie lassen sich sponsern und bilden sich selbst in Anzügen ab, die mit den Logos ihrer Sponsoren übersät sind.
Geld kommt auch ins Spiel, wenn die Frage ansteht, wie man an ein Stipendium kommt, welche Institutionen die Werke ausstellen und wieviel PR für sie gemacht wird. Häufig genug müssen sich Künstler heute allerdings auch selbst vermarkten. So begegnet man in New Yorker U-Bahnstationen den lustig wirkenden Bronzefiguren von Tom Otterness, die Geizhälse, Bettler, Diebe oder Industriemagnaten darstellen und damit die Rolle des Geldes in der Gesellschaft reflektieren.
Auch in diesem Band wird der Leser von Raum zu Raum geführt mit den Themenkreisen: „Kostbare Materialien“, „Kredit“, „Produktion“, „Warenhaus“, „Zirkulation“, „Business“ und „Alternativen“.
Manche Künstler arbeiten neben Geldscheinen Gold oder andere wertvolle Substanzen in ihre Werke ein, in einem Fall sogar Kokain , andere befassen sich mit dem Erscheinungsbild von Unternehmen, beschäftigen sich mit dem Kauf und dem Verkauf von Waren oder zeigen Möglichkeiten des Daseins jenseits des Kapitalismus auf. Ob sie die Kommerzialisierung der Kunst ironisieren oder die Dominanz des Geldes in eines Jeden Alltag provokant in Frage stellen, immer illustriert ihr Schaffen das kreative Spannungsverhältnis, in dem Kunst und Kommerz-Gesellschaft zueinander stehen.
Beiden Bände beginnen jeweils mit einem sehr lesenswerten Gespräch zwischen Theoretikern und Praktikern der Kunst und beiden Bänden ist ein Verzeichnis der vorgestellten Künstler beigefügt.

Damit aber die geballte Ladung von Bildern und Aussagen auch nachhaltig wirken kann, sollte man Art Works durchaus in Häppchen genießen, andernfalls könnte dem Neuling unter den Betrachtern und Lesern zeitgenössischer Kunst die notwendige Geduld abhanden kommen, sich auf die gezeigten Werke einzulassen. Und das wäre sehr schade.

ART WORKS. Zeitgenössische Kunst. Bd 2: Siegel, Katy; Mattick, Paul: Geld. 208 S., zahlr. Abb., Anh., 22 x 20 cm. Ebr. Gerstenberg, Hildesheim 2004. EUR 24,90 ISBN 3-8067-2553-5
13.5.2005


Gabriele Klempert
ART WORKS. Zeitgenössische Kunst. Bd 1: Steiner, Barbara /Yang, Jun: Autobiografie. 208 S., zahlr. Abb., 22 x 20 cm. Br., Gerstenberg, Hildesheim 2004. EUR 24,90
ISBN 3-8067-2552-7
 
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