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Material im Prozess - Kristallisierte Übergänge

"Material im Prozess" - der Titel des Sammelbandes, hervorgegangen aus zwei Tagungen eines Berlin der Graduiertenkollegs, verrät Anspruch und ist zugleich Programm. Im Mittelpunkt der 19 Aufsätze aus unterschiedlichsten geistewissenschaftlichen Disziplinen und interdisziplinären "Brückenschlägen" steht bezeichnenderweise nicht "das" Material bzw. "die" Theorie des Materials sondern das Problem in welcher Weise "Material" als materielle und immaterielle Praxis eines ästhetischen Schöpfungs- bzw. Neubestimmungsprozesses gedacht und wahrgenommen wird. Zwischen äußeren Materialien und innerer materialbedingter und -orientierter Semantik und Konnotation eines ästhetischen Umformungsvorganges existieren viele historisch und sachlich bestimmte Übergänge. In ihrer Mehrheit gehen die Texte von der Voraussetzung aus, dass sich aus den Prozessen, in denen Übergangsphänomene von Materialien zu Aspekten immaterieller Produktion sichtbar werden, vor allem subjektive Schöpfungs- und Verwandlungsaspekte Form gewinnen. Monika Wagners zentraler Text "Materialvernichtung als künstlerische Schöpfung" (S. 109-123) demonstriert nicht nur ein zentrales Grundmotiv neuzeitlicher Schöpfungs- und Künstlermythologie, sondern zeigt, dass in der Materialwahrnehmung ein weit angelegter Themenhorizont aufscheint, der die indirekten, reflexiven Beziehungen innerhalb ästhetischer Strategien aufdeckt. Aus dem Konzept des klassischen, endgültig geformten Werkes wird ein sekundäres (sprachlich, materiell, klanglich, basiertes) System, aus dessen historischen Vorgaben und indirekt angelegten Beziehungen der mitbetrachtende Betrachter mit dem Prozess der Entfaltung einer Werkkonzeption konfrontiert wird. Das Material als bearbeiteter, historisch tradierter "Sekundärrohstoff" wird damit, wie dieser Band in unterschiedlichsten Zusammenhängen zeigt, zu einem Medium eines Mediums; Material dient dabei weder seiner Selbstdarstellung noch der betrachterunabhängigen Übertragung von "Informationen". Materialien verkörpern Ideen, indem sie Beziehungen innerhalb und außerhalb von ästhetischen Kontexten erschließbar machen.
Ob diese Beziehungen dabei beispielsweise dem Phänomen des menschlichen Körpers (Christoph Wulf, Der mimetische Körper, S. 181 ff.), dem "Material Mensch" im Theater der Avantgarden (Hanno Ehrlicher S. 255 ff.) oder einem historischen Metaphernkomplex wie "Selbstkristallisierungen" (Ralf Musielski, S. 271 ff.) gelten - das Thema des Materials und des Umgangs mit diesem stellt einen ebenso fruchtbaren wie lange Zeit nicht erkannten Zugang zu Entstehungsbedingungen des Ästhetischen dar. Dass nicht alle Texte informativ und gut lesbar zugleich sind, nimmt der Leser in diesem Fall billigend in Kauf; die Beziehungen, die hier in reicher Fülle zwischen den versammelten Idenn und Kontexten ausgebreitet sind, muß er sich in jedem Fall selbst erschließen.
Michael Kröger
Material im Prozess. Strategien ästhetischer Produktivität. Hrsg. Haus, Andreas. 2000. 301 S., 32 sw. Abb. 24 cm. Br., EUR 34,80
ISBN 3-496-01227-7
 
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