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Emanuel Raab. Nachtland

Nachts sind alle Katzen grau: Das nächtliche Dunkel verschleiert die Wahrnehmung der Welt. Für die Fotografie gilt dies in besonderem Maße, denn sie lebt vom Licht. Wie die Nacht den Blick auf die Dinge verändert, wie sie die Stadtlandschaft in ein unheimliches Licht taucht - das ist das Thema des neuen Fotobuchs des Wiesbadener Künstlers Emanuel Raab.
Die Nacht ist ein Meister der Inszenierung, flüstert der Fotograf aufs Negativ. Einsame Laternen, ein zu später Stunde erleuchtetes Fenster, Leuchtröhren oder das betörende Licht einer Industrieanlage: Die gelblich-düsteren Fotografien von Emanuel Raab glichen Tatorten, wären sie nicht so wunderschön.
Nach "heimat.de" - dem letzten Buch Raabs - zeigt der 1957 in Bautzen geborene Fotograf wiederum seine nächste Umwelt, ein Einfamilienhaus, eine Tankstelle, den Blick durch einige Äste auf eine Fabrikeinfahrt - doch wie anders sieht die Welt in der Nacht aus. Im Gespräch beschreibt Raab die Ruhe, die ihm die Nachtarbeit, die langen Versuchsreihen mit Langzeitbelichtungen so angenehm machten. Und tatsächlich hat sich der Alltagslärm vollkommen aus den neuen Fotografien verabschiedet. Ganz gedämpft sprechen sie zum Betrachter.
In gewisser Weise verschmelzen die Sphären von natürlicher und künstlicher Umwelt in den Fotografien von Emanuel Raab. Immer muss sich Raab auf künstliche Lichtquellen verlassen, Lichtquellen, die ihre Umwelt in Bühnen verwandeln, Theaterbühnen, Bühnen auf denen etwas passiert - die zwingen, immer genauer hinzusehen.
In gelbliches Licht getaucht, erkennt man im Tankstellenstaubsauger ein Modell seiner selbst - ein Modell oder Symbol auch für die Künstlichkeit unserer Umwelt. Andere Fotografien spielen stärker mit der Angst, welche die Nacht oft begleitet. Eine Straße am Waldrand etwa, von oben fotografiert und unheimlich beleuchtet, erscheint als veritabler Tatort. Auch hier könnte etwas passiert sein. Oder die Brückenpfeiler, die ein wenig an die Betonbrücke von Jeff Walls berühmter Arbeit "Storyteller" erinnern: Auch diese urbane Landschaft ist menschenleer.
Sehr bewusst kalkuliert Raab Unschärfen und Überbelichtungen ein, lässt etwa die linke Hälfte eines Motivs in grünem Licht ertrinken, um rechts eine hell erleuchtete Fähre in den Hafen laufen zu lassen. Ihr Lichtkegel erleuchtet das nächtliche Meer. Und immer wieder zeigt Raab Fabrikgebäude und Lagerhallen, die Stätten der Arbeit und der Produktion: Nachts wirken sie so nutzlos, werden zeichenhafte Skulpturen in der fragilen Stadtlandschaft, deren Fenster schwarzen Löchern gleichen.
Raabs Buch "Nachtland" ist ein Buch über die Dunkelheit in der Fotografie - und über die Kraft des punktuellen, künstlichen Lichtes. Es ist eine hervorragend fotografierte Hommage an die Zwischenzonen zwischen Dämmerung, Dunkelheit und Licht - und ein starkes Bekenntnis zu einer subjektiven Fotografie jenseits des immer noch allgegenwärtigen, kunstmarkttauglichen, oft so öden Dokumentarismus. Bei Raab ist oft kaum zu orten, wo das wenige Licht herkommt, mit dem der Fotograf auskommen muss. So "irrlichtert" seine Fotografie im wahrsten Sinne des Wortes, und Peter Weiermair, der Autor des leider allzu kurzen - beinahe: hingehuschten - Vorworts hat recht, wenn er schreibt: "Die Nacht ist - entgegen aller Rationalität und der Kenntnis, daß auf jede Nacht ein Tag folgt - auch eine Metapher des Todes."
(Folgende Ausstellungsdaten stehen fest: Kommunale Galerie im Leinwandhaus Frankfurt, 24.1.-9.3. / Kunsthalle Bielefeld, 19.3.-11.5.)
22.1.2003
Marc Peschke
Emanuel Raab - Nachtland. Dt. /Engl.. Beitr. Weiermair, Peter. Ãœbers. Green, Malcolm. 2002. 88 S., 37 fb. Abb. 30 x 20 cm. Gb EUR 36,95
ISBN 3-933257-77-8
 
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