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Wasserfarben

Von sich selbst sagt Günter Grass, er sei "als bildender Künstler "gelernter", als Schreiber hingegen "ungelernter" Künstler. Weil er schon im "zwölften Lebensjahr Gereimtes und Ungereimtes zu schreiben und zugleich bewußt nach der Natur zu zeichnen begann, zudem mit Plastilin oder Knetmasse... Figuren, darunter nackte, zu formen versuchte" und bereits als Schüler Bildhauer werden wollte, ging er 1947 zu einem Steinmetz in die Lehre, bevor er 1948 das Kunststudium aufnahm, an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Otto Pankok zunächst und von 1952 bis 1956 in Berlin bei Karl Hartung. "Danach dominierten die Wörter, Buch nach Buch". Doch wenn auch "dem Bildhauerschüler ... vor lauter geschlossener Form die Farbe verging", gewann doch immer wieder "das Zeichnen Oberhand", bis er seinen lange Zeit aufgeschobenen Vorsatz "mit Wasser Farben anzurühren," endlich in die Tat umsetzte und wieder aquarellierte. Seine Begabung als Maler dürfte spätestens seit "Mein Jahrhundert" allgemeiner bekannt sein.
Grass’ kindlich unbefangenes Farbempfinden, seine Freude an bunten, satten, leuchtenden, komplementären Farben hat er sich bewahrt, insofern malt er unbeschwert: "altmodisch," behauptet er "und jenseits des Geredes über Innovationen und Events sowie sonstiger Zeitgeistangebote." Doch seine Motive sind nicht unbedingt idyllisch, sondern mit dem ihm eigenen Blick für Skurriles, Groteskes, Schaurig-Schönes gewählt: ausgetretende Schuhe, eine Maus in der Falle, Fischgerippe über lieblichen Hügellandschaften, gehäutete, noch blutig-frische Schafsköpfe und Kaninchen, sein eigenes Herz ("Dank Kontrastmittel"), einen Haufen toter Fliegen, ein wunderbar farbiges Blatt in seinen verschiedensten Blau- und Ockertönen, aber auch fein kolorierte Schneelandschaften, prachtvolle alte Bäume, von der Sonne aufgheizte Felsstein-Motive, die zu malen ihn "keines der von der Moderne errichteten Tabus hinderte." Die Technik der Aquarellmalerei vollendet beherrschend läßt er die Farben fliessen, doch er setzt ihnen Grenzen, lenkt ihren Fluß, läßt Konturen entstehen, zieht Linien - der Graphiker Grass kommt von der Linie nicht los. So wird konsequenterweise in den 90er Jahren die Schrift Teil seiner Aquarelle (Fundsachen für Nichtleser", „Mein Jahrhundert"). Mit dem Pinsel meist in das noch feuchte Blatt geschrieben bilden Texte und Bilder eine inhaltliche, kompositorische und farbliche Einheit.
142 Aquarelle aus seiner gesamten Schaffenszeit von den Anfängen als Student bis zum Jahr 2000, darunter allein 19. Blätter aus "Fundsachen für Nichtleser" und 24 aus "Mein Jahrhundert", wurden für den vorliegeden Band repräsentativ ausgewählt und hervorragend abgebildet. Eindruckswoll bezeugen sie Grass’ Entwiclung als Maler. In einem kurzen Vorwort, einer sprachlich brillanten biographischen Skizze, beschreibt er seinen Weg mit der Farbe humorig und prägnant. Dieser schöne und eindrucksvolle Beweis seiner vielseitigen Begabung wird viele Leser faszinieren.
23.9.2002
Christa Chatrath
Grass, Günter: Mit Wasserfben. 09/2001. 192 S., 150 fb. Aquarelle - 31 x 24 cm. 1800g. Ln DM 78,-
ISBN 3-88243-788-X
 
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