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No Plan At All

Drucker aus Passion

Die druckgraphischen Künste haben den Ruf etwas für Spezialisten zu sein. Dabei sind ihre Ergebnisse doch von besonderem ästhetischen Reiz und von unterschiedlichster Art, so dass jeder, der sich darauf ein wenig einlässt, erheblichen Genuss oder – wenn man so will – auch intellektuellen Gewinn daraus ziehen kann. Im deutschsprachigen Raum muss dies leider immer wieder betont werden. Im angelsächsischen zum Beispiel sind dies Selbstverständlichkeiten und die Gespräche zwischen Künstlern, Händlern, Sammlern und Laien werden auf hohem Niveau oder zumindest mit unbefangener Begeisterung geführt. Dort müsste man auch nicht erklären, dass ein professioneller Drucker, der mit einem Künstler zusammen eine Auflage erarbeitet einen erwähnenswerten Anteil am künstlerischen Ergebnis hat. So muss es nicht verwundern, dass gerade zeitgenössische Künstler inzwischen Wert darauf legen, dass die Drucker ihrer Auflagen penibel aufgelistet werden, um diesen Anteil zu dokumentieren.
Der dänische Drucker Nils Borch Jensen (*1952) war von Jugend an für die künstlerische Druckerei begeistert. Er bekam mit Hilfe eines engagierten Lehrers die Möglichkeit bei einem der führenden dänischen Lithographen, Jens Christian Sørensen, zu lernen. Auf Grund von dessen internationalen Kontakten bot sich ihm die Chance, 1974 in die USA zu gehen und in der Druckwerkstatt Lakeside Studios Lithographien und dann auch Radierungen zu drucken. Der amerikanische Drucker Don Herbert animierte Jensen schon acht Monate später, mit ihm nach Madrid zu wechseln, wo sie beide in der Druckerei und Galerie „Grupo Quince“ arbeiteten, die unter anderem von María de Corral geleitet wurde, der späteren Direktorin des Museo Reina Sofia und international aktiven Kuratorin. Die Netzwerke des Kunstbetriebs entfalteten sich für Jensen also nahezu von allein – „No Plan at all“. Wobei das Understatement dieses Spruchs für die Druckerei, in der doch vielleicht nicht alles, aber möglichst viel geplant sein will, so einiges über die Lässigkeit Jensens aussagt, die ihn bei den Künstlern so beliebt macht.
Das Buch, das nun zu seinem 70. Geburtstag erschien, ist zum einen unprätentiöse Autobiographie und zum anderen ein Werkstattbericht der über vierzig Jahre der Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten Künstlern umfasst. Den Auftakt machen Beiträge zu den Dänen Troels Wörsel und Per Kirkeby sowie zu Keith Haring, alles schon verstorbene Künstler, mit denen Jensen intensiv zusammengearbeitet hat. Die anderen wichtigen Protagonisten seiner Kollaborationen wie Georg Baselitz, Tacita Dean, Tal R, Matt Saunders oder Fiona Tan, um nur einige zu nennen, berichten selbst von ihren Erfahrungen in der Werkstatt von Borch Jensen. Da deren Werke auch in Ausstellungssituationen abgebildet werden, bekommt der Leser einen Eindruck von einer wichtigen Qualität dieser Werkstatt: Monumentale Größe, die nicht auf Kosten der technischen Details und Raffinesse gehen. Dabei ist Jensen nicht wie so viele andere Drucker auf eine Technik spezialisiert. Er druckt Radierungen, ebenso wie Lithos oder Siebdrucke. In den letzten Jahren wurde eine seiner Spezialitäten die Photogravüre, bei uns auch Heliogravüre genannt, eine Technik, die es erlaubt Fotografien in die besondere Farbigkeit und Haptik des Tiefdrucks zu übertragen, so dass die Endergebnisse noch einmal etwas völlig anderes als Fotoabzüge sind. Das ermöglichte es Jensen auch mit Künstlern zusammenzuarbeiten, die eigentlich mit neuen Medien bis hin zum Digitalen umgehen oder mit Film wie etwa Dean oder Olafur Eliasson und andere.
Eindrucksvolle Aufnahmen von Details während der Druckprozesse und Ansichten der Werkstatt lassen in dem reich bebilderten Buch die haptischen Qualitäten des Druckens und der Drucke nachvollziehen. Abschließend lächeln einen die fünf Mitglieder der Werkstatt ein wenig erschöpft und doch zufrieden an – zwei Männer und drei Frauen. Denn man sollte nicht glauben, dass die künstlerische Druckerei heutzutage noch eine Männerdomäne wäre und vor allem ist sie nichts für Einzelgänger; der Name Niels Borch Jensen steht für das Team der Werkstatt. Das Buch schließt mit einem kurzen Glossar der Drucktechniken ab, so dass man sich gut zurechtfindet, auch ohne ein Kenner der Druckgraphik zu sein. Schade ist nur, dass es keine deutsche Übersetzung des Buches gibt. Es hätte auch bei uns eine weitere Verbreitung über die Fachwelt hinaus verdient.

03.10.2022
Andreas Strobl
No Plan At All. How the Danish Printshop of Niels Borch Jensen Redefined Artists` Prints for the Contemporary World. Hrsg.: Borch Jensen, Niels; Tallman, Susan; Beitr.: Susan Tallman mit Niels Borch Jensen; Baselitz, Georg; Bonillas, Iñaki; Dean, Tacita; Eliasson, Olafur u.v.a. Englisch. 288 S. 250 Abb. 29 x 23 cm. Hatje-Cantz, Ostfildern 2021. EUR 44,00. CHF 50,50
ISBN 978-3-7757-5046-2
 
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