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PROOF OF ART – A short history of NFTs

Am 11. März 2021 sorgte Beeple alias Mike Winkelmann bei dem Verkauf seiner Arbeit EVERYDAYS - THE FIRST 5000 DAYS für einen Rekord: Mit 69 Millionen US Dollar wurde Beeple zum drittteuersten lebenden Künstler nach Jeff Koons und David Hockney. Beeple ist inzwischen längst in die neueste Kunstgeschichte eingegangen: wie inzwischen viele andere KünstlerInnen wurde diese Arbeit als NFT (= Non-fungible token [Echtheitszertifikate, die an digitale Objekte geknüpft sind]) konzipiert und mit Hilfe der Blockchain-Technologie realisiert. Zur Technik sei nur sehr kurz so viel zitiert: NFTs "sorgen dafür, dass unter einer Vielzahl identischer Kopien nur eine Datei als sozusagen signiertes Original gelten kann. Die Echtheit der Dateien wird bei den meisten aktuellen NFTs mit der Blockchain-Datenkette der Krypto-Währung Ethereum abgesichert. Die Blockchain ist im Grunde eine Datenbank, die alle Transaktionen mit einem digitalen Artikel speichert und auf viele Rechner im Netz verteilt ist. Das macht sie fälschungssicher." (https://www.monopol-magazin.de/69-millionen-dollar-fuer-beeple-nft-bei-christies) Spätestens seitdem das Medium NFT von den Medien gehypt, d.h. eine euphorische Begeisterung erzeugt wurde sind KünstlerInnen aber vor allem auch der Kunstmarkt in heller Aufregung. Eine namhafte Galerie wie etwa Johann König/Berlin ist beispielsweise auch in diesem neuen Marktsegment vertreten.

Nach ihrem weltweit ersten Einsatz in den globalen Finanzmetropolen hat die Blockchain-Technologie nun in der Kunstwelt ein Problem sicht- und verhandelbar gemacht, das Walter Benjamin vor fast 100 Jahren schon vorausahnte und heute als Frage nach dem „Wert des Originals im Zeitalter seiner digitalen Reproduzierbarkeit“ verhandelt wird. Ein Vorteil dieses instruktiven Bandes, der 2021 als Katalog einer gleichnamigen Ausstellung im „Francisco Carolinum Linz“ publiziert wurde und dabei einen aktuellen Ausschnitt aus der bereits vielfältigen Diskussion um NFTs abbildet, ist die Bandbreite seiner unterschiedlichen Themen, KünstlerInnen und FachautorInnen. Es geht - wie könnte es anders sein - um die alte Benjaminsche Frage nach dem Substanz- und Wertewandel von Kunst in Zeiten ihrer digitalen Reproduktion (S. 22 ff) aber natürlich auch um die Vorgeschichte der digitalen Kunst, deren prominenter Vorläufer wie etwa Herbert W. Franke ausführlich zu Wort kommt (S.38ff.) Daniel Heiss und Margit Rosen / ZKM Karlsruhe beleuchten in ihrem Essay "It´s not about the Money"(S. 10 ff.) wie heute schon die Blockchain-Technologie die Zukunft die Museumspraxis der Zukunft substantiell verändern wird: "Wer Gemälde sammelt, weiß wo diese gelagert sind. Für Sammler von NFTs trifft dies nicht zu." Diese erwerben lediglich ein Zertifikat, das auf eine Datei verweist, die auf Servern gespeichert sind und die nur mit einem privaten Schlüssel zugänglich sind. Das Werk ist im speziellen Fall eines On-chain-NFTs zusätzlich zum Zertifikat noch generativer Code existent, der seiner eine limitierte Anzahl von Varianten eines Bildes erzeugt. Im Medium des NFTs wird so der Werkcharakter eines Werks dekonstruiert und beobachtet. Keine Frage, dass eine derart komplexe digitale Technik alle bisherigen Wertzuschreibungen von Kunst einer generellen Neubewertung unterzieht, der - vor allem auch juristische - Konsequenzen heute noch nicht abzusehen sind. Die Diskussion um NFTs ist inzwischen bereits differenziert geführt. Annika Meiers Text "Wohin mit dem NFT-Hass?" (S. 74ff.) untersucht woher die extrem negativen Bewertungen dieser Technologie stammen. Charlotte Kents Überblick zur Geschichte der Blockchain-Ästhetik und -technologie (S. 144.) vermittelt einen Eindruck wie Kunstsystem-kritisch sich dabei einzelne Künstler dieser Reproduktionstechnik bedienen, die seit cirka 2010 das Kunstgeschehen - wohl nachhaltig - zu revolutionieren scheint.

04.11.2021
Michael Kröger
PROOF OF ART. A short history of NFTs from the beginning of digital art to the metaverse. Hrsg.: Weidinger, Alfred. Deutsch; Englisch. 250 S. zahlr. fb. Abb. 25 x 19,5 cm. Distanz Verlag, Linz 2021. EUR 38,00.
ISBN 978-3-95476-439-6
 
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