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Rudolf Probst – Galerist 1890–1968

Rudolf Probst – eine vergessene Kunsthandelsgeschichte

Die Kunsthandelsgeschichte, oder, neudeutsch: art market studies, ist längst zu einem wichtigen Teil aktueller Kunstgeschichtsschreibung geworden. Über wegweisende Galerien und Kunsthändler der Moderne, wie den Kunstsalon Cassirer, Alfred Flechtheim, Heinrich Thannhauser oder Herwarth Walden und dessen Galerie „Der Sturm“, liegen inzwischen gewichtige Monografien vor. Besonders verdienstvoll ist es daher, wenn weitere, auch topografische Lücken in der Historiographie des Kunsthandels geschlossen werden, wie dies nun durch die seit Jahren angekündigte Monografie über Rudolf Probst der Fall ist.

Sein Name wird – im Gegensatz zu Cassirer, Flechtheim oder Walden – nur Wenigen ein Begriff sein. Den Freunden der Avantgardekunst der Weimarer Republik ist vermutlich eher der Name der ersten von ihm gegründeten Kunsthandlung „Neue Kunst Fides“ bekannt. Mit dieser, ganz auf die Kunst der Moderne ausgerichteten Galerie machte Probst sich in Dresden 1923 selbständig und vertrat hier zehn wichtige Jahre lang die Kunst der Konstruktivisten, der Bauhaus-Meister Feininger, Klee, Kandinsky, Schlemmer und Moholy-Nagy und die Positionen der internationalen Avantgarde der Abstraktion.
Probst präsentierte damit nicht nur die Kunst seiner Zeit, sondern schrieb mit seinem kraftvollen und vorbehaltlosen Engagement für die Moderne Kunstgeschichte: Der Bauhäusler Hinnerk Scheper etwa entwarf den „Großen Ausstellungsraum“ seiner Galerie 1926 als konstruktivistisches Raumensemble „nach völlig neuen Grundsätzen“, und Probst teilte seiner Frau stolz mit, dass diese nun moderner und größer sei als die legendäre Galerie Nierendorf in Berlin.
Doch trotz bahnbrechender Ausstellungen und des Vertriebs moderner Stahlrohrmöbel blieb der wirtschaftliche Erfolg aus. Bereits einige Monate vor der internationalen Weltwirtschaftskrise, die 1929 im „Schwarzen Freitag“ gipfelte, sah Probst seine Galerie substantiell bedroht und musste sie in kleinere Räume verlegen.
Die Machtergreifung der Nationalsozialisten führte schließlich dazu, dass er seine Kunsthandlung im September 1933 schließen musste. Doch im Gegensatz zu Flechtheim, Walden oder Thannhauser, die ins Exil flüchteten, blieb Probst in Deutschland und arbeitete im Verborgenen, nun von Mannheim aus, weiter. Dies ermöglichte es ihm, kurz nach 1945 mit der Neugründung der „Galerie Rudolf Probst“ an das frühere Engagement anzuknüpfen.
Probst ist somit der seltene Fall eines Kunsthändlers, in dessen Leben und Werk sich ein großer Teil der deutschen Kunstgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts widerspiegelt. Noch im Kaiserreich, als Volontär der Galerie Emil Richter, begann der berufliche Lebensweg des 1890 Geborenen; in der Weimarer Republik gehörte er zu den wichtigsten Vertretern und Vermittlern der Kunst seiner Zeit, und noch nach 1945 war es ihm vergönnt, den Siegeszug der Abstraktion in der jungen Bundesrepublik nicht nur mitzuerleben, sondern auch mitzugestalten. Sein Leben und Werk sind damit eine Entdeckung, und die über viele Jahre erstellte Monografie verschafft Probst zurecht einen Platz in der ersten Reihe der Händler der Moderne in Deutschland.
Möglich wurde dies durch den seltenen Glücksfall eines umfangreichen Nachlassarchivs, das den Autoren zur Bearbeitung zur Verfügung stand. Anhand zahlloser Archivfunde wird das Leben von Probst als eine Kunstgeschichte der Avantgarde nachvollziehbar und durch eine Chronologie seiner Lebensstationen und von ihm konzipierten Ausstellungen, zahlreiche Abbildungen und ein umfassendes Register erschlossen.
Auch dieser Band des Nimbus-Verlags, in dem schon die Dokumentationen zu Alfred Flechtheim und dem Kunstsalon Cassirer erschienen sind, wird sich einreihen in den Handapparat unverzichtbarer Monografien zur Kunstmarktforschung der Moderne.

04.11.2021
Rainer Stamm
Rudolf Probst 1890-1968, Galerist. Hofmann, Karl Ludwig; Präger, Christmut. 400 S. 250 Abb. 28 x 20 cm. Gb. Nimbus Verlag, Wädenswil 2021.EUR 48,00. CHF 54,00
ISBN 978-3-907142-88-2
 
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