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Jan Svenungsson

Ein Holzschnitt, der aussieht wie ein Vierfarben-Offsetdruck, eine Radierung, die so präzise ist wie ein Stahlstich oder die Kombination von Siebdruck und Aquatinta, um zwei unterschiedliche Grauwerte zu erreichen – der schwedische Künstler Jan Svenungsson denkt die Drucktechniken gegen den Strich. Er erarbeitet sich traditionelle Techniken, aber nicht um zu einem erwartbaren Ergebnis zu kommen. Seinen Werken sieht man auf den ersten Blick auch nicht die Komplexität der Herstellung an. Diese Komplexität einfach nur umständlich zu nennen, würde den Charakter des Endergebnisses nicht richtig beschreiben, den Svenungsson erreicht. Es sind Farb- und Strukturwirkungen, die sich nicht einfach in Reproduktionen, sondern nur in den jeweils gewählten Drucktechniken herstellen lassen und daher lohnt sich der zweite und dritte Blick auf diese Werke.
Denn das ist das Geheimnis der künstlerischen Originaldruckgraphik, dass in ihr jeweils Wirkungen und Bilder entstehen können, die in keiner anderen Technik möglich wären. Originalgraphik nennt man sie, weil der Künstler selbst den Druckstock bearbeitet und im Idealfall sogar den Druck selbst herstellt oder sich mit dem Drucker persönlich abspricht, so dass er die vollständige Kontrolle über alle Werkphasen hat.
Jan Svenungsson, 1961 in Schweden geboren, lehrt seit 2011 an der Universität für angewandte Künste, früher (und in der Internetadresse immer noch) einfach „die Angewandte“, in Wien Zeichnung und Druckgraphik. Er schreibt in diesem Buch eine Werkautobiographie Druck um Druck und Serie um Serie, die in ihrem nüchternen Rückblick keinen neutralen Autor vermissen lässt. Es klappt nicht oft, dass ein Künstler, der seine Werkprozesse natürlich am besten kennt, diese so klar und auch uneitel reflektiert darlegen kann. Svenugssons druckgraphisches Werk ist überschaubar. Zum einen ist er ein konzeptuell arbeitender Künstler, dessen Markenzeichen sinnlose Kamine geworden sind, die an frühe Industriearchitektur erinnern. Zum anderen ist er ein Druckgraphiker, der mit schwer vorstellbarer Intensität technische Fragen löst, die sich keiner zuvor gestellt hat. Das beste Beispiel ist der Holzschnitt, der das Raster des Vierfarbendrucks nachempfindet und damit sichtbar macht, was sonst nur unter dem Fadenzähler zu erkennen ist.
Interessant ist dabei auch, dass Svenungsson seit den 1980er Jahren arbeitet und parallel die digitale Revolution den bildenden Künsten nicht erspart blieb. Spät erst entdeckte er den PC und Photoshop als Arbeitsmittel, das er erneut analytisch auseinandernahm, wie zuvor die handwerklichen Techniken des Schneidens, Radierens und Bearbeitens von Sieben. Dabei führte er die Ergebnisse überwiegend in die handwerklichen Drucktechniken zurück, denen er letztlich doch treu geblieben ist. So fällt die Zeitspanne seines ungewöhnlichen Werks mit einem schnellen Umbruch zusammen, der gerade im Bereich der vervielfältigten Bilder besonders zum Tragen kam. Erstaunlich ist, dass diese konzeptuellen Drucke im traditionellen Medium Buch so gut vermittelt werden können. Die Abbildungen haben Faksimilecharakter und lassen die Farb- und Papierqualitäten der Drucke schier spürbar werden. Wenn diese Kunst zuerst kopflastig erscheinen mag, vermag die Sinnlichkeit des Buches doch anderes zu vermitteln. Leider ist es ausschließlich auf Englisch erschienen, vielleicht weil es die Buchreihe der „Angewandten“ so verlangt oder weil der Künstler international orientiert ist. Aber die Mühe der Lektüre lohnt sich.

05.10.2020
Andreas Strobl
Making Prints and Thinking About It. Svenungsson, Jan. Engl. 2019. 224 S. 158 fb. Abb. De Gruyter Verlag. 2019. EUR 29,95.
ISBN 978-3-11-063216-3
 
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