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Altar und Kirche

Im Unterschied zum antiken Altar, der „gerade nicht einzigartig, sondern plural“ ist, „da jedem Gott sein eigener Altar gebührt“, ist der christliche Altar das „sakrale Zentrum eines jeden Kirchenraums“, „der privilegierte Ort des Gebets“. „Der Altar ist gleichsam der Ort des aufgerissenen Himmels; er schließt den Kirchenraum nicht ab, sondern auf“, dieser Deutung Joseph Ratzingers zustimmend untersucht Stefan Heid, u.a. Professor für Liturgiegeschichte und Hagiographie am Pontivicio Istituto di Archeologia Cristiana in Rom, die Entwicklung und Bedeutung des Altars als Sakraltisch, auf dem im Gottesdienst Brot und Wein dargebracht werden, von seinen frühchristlichen Anfängen in der Antike bis zum modernen Altarbau in der katholischen Kirche.

Mit der Akribie und Präzision des Wissenschaftlers ergründet und erläutert der Kirchenhistoriker und christliche Archäologe, seit 2009 Monsignore, die Anfänge der Liturgie, die Besonderheit der Sakraltische und die Funktion des Altars als Opfertisch. Kritisch nimmt er Stellung zum „heute geführten Streit um die Eucharistie als Opfer oder Mahl“ und widerlegt die „inzwischen geradezu kanonisch und in allen Handbüchern, Lexika und sonstigen Publikationen verbreitete“ Meinung, es habe in den ersten zwei Jahrhunderten noch keinen wirklichen christlichen Altar gegeben. Auch das Phantom der frühchristlichen Hauskirche hinterfragt er und verneint die „radikale, absolute Unterdrückung von Kult und Religion im werdenden Christentum“. Er erklärt die Gebetshaltung am Altar, sowie die Ausrichtung nach Osten und belegt, dass die „Bildausstattung frühchristlicher Kirchen … von Beginn an in enger Funktion zur Liturgie und zum Gebet“ steht. Die frühchristliche Kirchenkunst sei „Emanation der liturgiebezogenen Kunst“, denn „die Bilder umhegen und schaffen zugleich den sakralen Raum;“ schließlich habe Christus den Blinden die Augen geöffnet und sie … sehen lassen.“

Für seine umfangreiche Arbeit zieht Heid nicht nur „alle verfügbaren Textquellen der ersten vier Jahrhunderte“ vom Ersten Korintherbrief des Apostel Paulus bis zu den Briefen von Bischof Ignatius von Antiochia heran, sondern durchforstet nicht minder gründlich die entsprechende Literatur der folgenden Jahrhunderte bis in die Gegenwart, wie die Fußnoten auf jeder Seite und die 24 Seiten starke Bibliographie im Anhang eindrucksvoll belegen. Intensiv und kritisch setzt er sich mit der akademischen Forschung und ihren Erkenntnissen bis nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil auseinander, denen er zum Teil vehement und begründend widerspricht, überzeugt davon, „dass sich die Forschung in eine Sackgasse manövriert hat.“
Heid findet klare, deutliche Worte, argumentiert fundiert und gewissenhaft. Mit seiner religions- und kulturhistorisch materialreichen Arbeit wird er nicht nur Fachleute, sondern ebenso an alter Liturgie-, Kirchen- und Kulturgeschichte interessierte Laien ansprechen und zu Diskussionen anregen.

16.05.2020
Christa Chatrath
Altar und Kirche. Prinzipien christlicher Liturgie. Heid, Stefan. 496 S. 73 fb. Abb., 82 Abb. 24 x 17 cm. Schnell & Steiner, Regensburg 2019. EUR 50,00.
ISBN 978-3-7954-3425-0   [Schnell & Steiner]
 
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