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Ada Nolde.– „Meine vielgeliebte“ Muse

Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau. Heute klingt dieser Spruch abgedroschen, doch er trifft auf Ada Nolde zu; Ehefrau des deutschen Expressionisten Emil Nolde. Ohne Ada und ihren unermüdlichen Einsatz für Noldes Kunst wäre sein Erfolg nicht möglich gewesen. Ihre enorme Bedeutung für Noldes Schaffen ist bekannt, Beiträge in Ausstellungskatalogen haben sich bereits mit der Ehefrau des Malers befasst. Doch ein monografischer Band, der explizit die Rolle Adas untersucht, fehlte bisher. Um diesen Missstand zu beheben, widmet die Stiftung Seebüll Emil und Ada Nolde dieser zentralen Person des Kosmos Emil Noldes nun eine eigene Publikation. Anlass sind neue Forschungsergebnisse und der 140. Geburtstag Adas.
Anstatt durch eine umfassende Biografie, welche zukünftigen Forschungen überlassen bleibt, nähert sich das Buch Ada Nolde in mehreren Beiträgen mittels ihrem Ehemann Emil. Im ersten Teil durch ihre Präsenz in seinen Werken, im zweiten durch ihre Rolle für seine Karriere. Ada als „Muse und Managerin“ Emil Noldes, so verrät es bereits der Buchtitel.
Ada Nolde, geborene Vilstrup, lernte Emil 1901 kennen. Bereits ein Jahr später heirateten die beiden. Ihre Bemühungen als Schauspielerin gab die 12 Jahre jüngere Ada schnell auf, stattdessen machte sie die Kunst ihres Mannes zu ihrer Lebensaufgabe. Trotz schlechter gesundheitlicher Verfassung trat sie unermüdlich als Vermittlerin von Noldes Kunst auf, pflegte systematisch sowie strategisch ein Netzwerk an Kontakten, organisierte Ausstellungen, verwaltete sein Werk und erstellte ein erstes Werkverzeichnis.
Ohne Ada wäre Emil Nolde nicht der erfolgreiche Maler geworden, als der er heute bekannt ist. Das zeigt die punktuelle Betrachtung der engen Beziehung Adas zu der Familie des Sammlers Gustav Schiefler und noch stärker ihre aktive Rolle während Noldes Brücke-Mitgliedschaft. Wahrscheinlich war es vor allem Ada, die ihren Mann vom Eintritt in die Künstlergruppe überzeugte, und auch am späteren Austritt hatte sie großen Anteil. Wie strategisch das Ehepaar und insbesondere Ada in der Vermarktung von Emils Kunst vorging, zeigt sich in ihren Bestrebungen um dessen Anerkennung während des „Dritten Reichs“. Das Ehepaar bekannte sich zwar offen zu den antisemitischen, nationalsozialistischen Überzeugungen des neuen Regimes, Noldes expressionistische Kunst widersprach dem Kunstverständnis der Nationalsozialisten jedoch fundamental. Dementsprechend wurden seine Arbeiten verfemt und er zum „entarteten Künstler“ erklärt. Mit welch ausdauerndem Engagement Ada bis zuletzt mit allen Mitteln und Kontakten versuchte, Noldes Diffamierung und Berufsverbot aufzuheben, schlüsselt der Band bemerkenswert detailliert auf und offenbart erneut Adas zentrale Bedeutung für Emils Kunstschaffen.
Die gewählte Annäherung an Ada über Noldes Werke liegt nahe, ihre Funktion und Bedeutung als seine Muse sind unbestreitbar. Von Anfang der Beziehung bis zu ihrem Tod, durch alle Bildformen hinweg findet sich die Figur Adas in den Werken Emils; mal namentlich, mal nur motivisch. Anhand ihrer Bildnisse lässt sich Noldes Weg zum Expressionismus konkret nachvollziehen. Inwiefern eine Annäherung über ihre Bildpräsenz Ada als Person gerecht wird, diese Frage lässt sich durchaus stellen. Im Kern dreht sich der erste Teil des Bandes um Nolde und seine Kunst. Ada bleibt – wenn auch ein enorm wichtiges – Motiv, auf welches hin Noldes Arbeiten untersucht werden. Es dauert beinahe 60 Seiten, bis man als Leser*in dem reich illustrierten Band erstmals ein Abbild Adas zu sehen bekommt, das nicht aus Emils Hand stammt, erst nach 70 weiteren folgt das nächste. Ada als autonome Person scheint zunächst nebensächlich.
Dabei verblasst ihre Bedeutung als Muse vor dem Hintergrund ihrer Bestrebungen als Noldes Managerin. Ohne Zweifel, auch in dieser Funktion unterliegt sie am Ende seiner Kunst. Der symbiotische Bund ihrer Ehe und die Aufopferung ihrer eigenen Karriere für die Indienststellung ihres Lebens für ihren Ehemann machen eine unabhängige Betrachtung Adas schwierig. Doch in ihren Bestrebungen hinsichtlich Kontaktpflege, Vermittlung und Vermarktung seiner Kunst tritt sie in einer derart aktiven Rolle auf, dass man sich fragt, inwiefern der erste Blick auf Ada durch Noldes Werke ihrer Leistung gerecht wird. Erst gegen Ende des Buches folgt ein ausführlicher Gesamteinblick in die Biografie Adas, begleitet von einer Fotostrecke über ihre 44 Ehejahre mit Emil. Um Adas als Person und in ihrer Bedeutung für Noldes Kunst entsprechend zu honorieren, wäre ein Einstieg über ihre Biografie vielleicht passender gewesen. Denn ihre besondere Rolle, auch im Vergleich zu anderen Künstlergattinnen ihrer Zeit, vermittelt die Publikation in ihren punktuellen Untersuchungen eindrücklich und überdeutlich. Am Ende fragt man sich als Leser*in, wie man Werk und Schaffen Emil Noldes bisher abseits seiner Frau Ada denken konnte.

17.03.2020
Valentina Bay
Ada Nolde meine vielgeliebte. Muse und Managerin Emil Noldes. Hrsg.: Becker, Astrid; Ring, Christian. 232 S. 189 Abb. 26 x 21 cm. Klinkhardt & Biermann, München 2019. EUR 39,90. CHF 48,70
ISBN 978-3-943616-69-9
 
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