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Marianne Werefkin. Aus dem Schatten ins rechte Licht gerückt

Die 1860 im russischen Tula geborene Aristokratin Marianne Werefkin galt als kraft- und temperamentvolle Persönlichkeit, der es durch Weltgewandtheit und Offenherzigkeit gelang, zeit ihres Lebens Menschen um sich zu versammeln. Von ihrem malerischen Werk hat die Kunstgeschichte bis vor wenigen Jahren eher weniger Notiz genommen.
In der ersten grundlegenden Monografie ist es nun dem Werefkin-Kenner Bernd Fäthke, der lange Zeit in den Archiven und der Fondazione Marianne Werefkin in Ascona forschte, gelungen, die Lücke mit einer bemerkenswerten Publikation zu Leben und Werk der umtriebigen Künstlerin und Mäzenin zu schließen. Durch den Kontakt zum Lieblingsneffen Marianne Werefkins, Alexander, bekam Fäthke Zugang zum bislang gut gehüteten Archiv der Künstlerin und hat damit Bewegung in die Geschichte der Kunst zwischen 1860 und 1938 gebracht.
Die in der Folge Ende der 80er Jahre und 1990 veranstalteten Ausstellungen zum Leben und Werk Marianne Werefkins in Ascona, München, Hannover, Berlin, Bad Homburg und Hamburg haben auch das Interesse der Universitäten geweckt und im Anschluss einige Magisterarbeiten und Dissertationen hierzu entstehen lassen. "Es hat inzwischen den Anschein, dass Werefkin wieder in ihren früheren Kollegenkreis eingereiht werden soll, vom dem sie über Jahrzehnte ausgeschlossen worden war," kommentiert Fäthke die Entwicklung der letzten Jahre in seinem Vorwort.
Seine Monografie umspannt mehr als die 78 Lebensjahre einer bemerkens- aber auch bedauernswerten modernen Frau. Sie gibt Einblick in ein ungewöhnliches Kapitel Frauengeschichte, in Alexej von Jawlenskys Leben und Schaffen sowie in die künstlerische Szene in München im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Und vor allem leistet sie, aufgrund der profunden Kenntnisse Fäthkes, einen wichtigen Beitrag zum Verständnis von Ursprüngen und Entwicklung der Malerei der Klassischen Moderne, insbesondere des "Blauen Reiters".
Vom Beginn der Publikation an schlägt Fäthke den Leser in seinen Bann. Unzählige eingeflochtene Zitate Marianne Werefkins und ihrer Lebensbegleiter ermöglichen einen Blick in die Tiefe einer vielschichtigen Frau, die bereit war, ihre künstlerische Entwicklung für zehn Jahre zu unterbrechen, um ihren Schützling Jawlensky, mit dem sie eine jahrzehntelange, aufreibende und problematische Beziehung verband, zu protegieren. Fäthke begleitet Marianne Werefkin durch alle Höhen und Tiefen, arbeitet die Wendepunkte ihres Lebens heraus, legt sein Augenmerk auf sie beeinflussende Lehrer und vertieft sich in ihr frühes und nach zehnjähriger Pause wiederaufgenommenes Werk, das sie als Vorläufer wichtiger kunstgeschichtlicher Entwicklungen ausweist. Beispielsweise nahm sie die Eigenwertigkeit des vom Gegenstand gelösten Lichtes vorweg. 1908 plante Werefkin zusammen mit Jawlensky und Adolf Erbslöh die Gründung der "Neuen Künstlervereinigung München", aus der 1911 der "Blaue Reiter" hervorging. Für Wassily Kandinskys Stilwandel in Murnau bildeten nach seinen eigenen Angaben die anregenden Diskussionen mit der gebildeten Frau die Keimzelle seiner Entwicklung zur Abstraktion der Kunst.
In der bewegenden Monografie bleibt viel Raum für Werkbeschreibungen wie für Interpretationen und wichtige Querverweise. Der durchweg gut bebilderte Band verzichtet dabei auf eine strenge inhaltliche Gliederung. Auf diese Weise kann sich die Geschichte eines bewegten Lebens, das unter traurigen Umständen 1938 endete, frei entfalten.
21.3.2002
Petra Jendryssek
Bernd Fäthke, Marianne Werefkin. Ca. 320 S., ca. 280 Abb., dav. 160 fb., 27 cm, Ln., ca. DM 128,- Erscheint im Mai 2001
ISBN 3-7774-9040-7
 
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