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Zukunftsräume

Konstruktivismus in Dresden.

In zahllosen Gegenden Deutschlands hat das Bauhaus-Jubiläum einen Radar angeworfen, der das Erbe der ‚weißen Moderne’ in den Regionen sichtbar macht: Vom „Bauhaus im Westen“ – mit den Mies van der Rohe-Bauten in Krefeld als Höhepunkt – über „Das Bauhaus in Oldenburg“ bis zu der Ausstellung im Leipziger Grassi Museum und dem dazu erschienenen enzyklopädischen Begleitband „Bauhaus Sachsen“ (Arnoldsche Art Publisher).
Einen besonderen Weg gehen die Museen in Dresden, die sich im Jubiläumsjahr auf die einzigartige Geschichte der abstrakt-konstruktiven Avantgarde der sächsischen Metropole besinnen.
Wenn man bislang an Beispiele konstruktive Raumkunst in Deutschland dachte, so fiel einem zunächst das „Kabinett der Abstrakten“ ein, das der russische Konstruktivist El Lissitzky ursprünglich 1928 im Provinzialmuseum Hannover realisiert hatte und das – nach seiner Vernichtung in der Zeit des Nationalsozialismus – seit 1979 als Rekonstruktion im Sprengel Museum zu sehen ist.

Der Formalismusstreit und die nachfolgende Verdammung der als dekadent geltenden Abstraktion in der DDR verhinderte in Dresden jahrzehntelang eine Rückbesinnung auf dessen ebenso schillernde Vergangenheit als Zentrum des Konstruktivismus: Dabei hatte Lissitzky hier schon 1926 – quasi als Prototyp des Hannoveraners abstrakten Kabinetts – im Rahmen der Internationalen Kunstausstellung den „Raum für konstruktive Kunst“ geschaffen. Der niederländische de Stijl-Künstler Piet Mondrian entwarf im selben Jahr ein Farbkonzept für einen Salon im Haus der Dresdner Sammlerin Ida Bienert. Mondrians Werke waren – gemeinsam mit Arbeiten von Man Ray und Kurt Schwitters – schon 1925 in einer Ausstellung in Dresden zu sehen und hingen in den Salons der Familie Bienert sowie im Probenraum der Tänzerin und Tanzpädagogin Gret Palucca. An kaum einem anderen Ort Deutschlands scheinen die Werke El Lissitzkys, Wassily Kandinskys und Piet Mondrians seinerzeit eine ähnliche Präsenz entfaltet zu haben.
Der materialreiche und kongenial elegant gestaltete Begleitband zur Ausstellung präsentiert nicht nur die damals in Dresden gezeigten Werke, sondern rekonstruiert erstmals umfassend das vergessene Klima der Avantgarde, das während der Weimarer Republik einen faszinierenden Kontrast zu den Kunstschätzen des historischen „Elbflorenz“ bildete. Im Kontext des wachsenden Bewusstseins für die Kunsthandelsgeschichte der Avantgarde sind vor allem die Beiträge von Heike Biedermann, Christmut Präger und Rudolf Fischer über die Dresdner Galerien für moderne Kunst zu erwähnen, zumal es – im Gegensatz zu den Galerien von Cassirer, Walden und Flechtheim in Berlin – zur Dresdner „Kunstausstellung Kühl & Kühn“, der Galerie Ernst Arnold in den Zwanziger Jahren oder der Galerie Neue Kunst Fides bislang kaum Literatur gab. So wird der vorliegende Band, ebenso wie das bereits 2007 erschienene Buch „Von Monet bis Mondrian“ über die Dresdner Privatsammlungen der Moderne, zu einem unverzichtbaren Handbuch zur Avantgardegeschichte der sächsischen Hauptstadt.

07.06.2019
Rainer Stamm
Zukunftsräume. Kandinsky, Mondrian, Lissitzky und die abstrakt-konstruktive Avantgarde in Dresden 1919 bis 1932. Hrsg,; Dalbajewa, Birgit; Wagner, Hilke; Biedermann, Heike; Dehmer, Andreas; Wagner, Mathias. 336 S. 290 meist fb. Abb. 28 x 24 cm. KT. Sandstein Verlag, Dresden 2019. EUR 48,00. CHF 64,80
ISBN 978-3-95498-457-2
 
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