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Die Wartenden – Zwölf Kurzgeschichten zu Bildern von Edward Hopper.

Edward Hopper. Mit seinen zeitlosen Gemälden eingebunden in die Zeit der amerikanischen Great Depression (1930-41) und die des europäischen, französischen Existentialismus (1940-1960). Das ist auch Becketts Zeit, der 1949 sein „En attendent Godot“, Warten auf Godot, schreibt. Und gewartet wird auch hier, in zwölf erzählerischen Imaginationen zu meist zwischen 1930 und 1950 entstandenen Gemälden Hoppers.
Die Markierungspunkte in diesen Erzählungen sind schnell gefunden. Individuelle Hoffnungslosigkeit, Untrost, Routine und Erstarrung in einer Beziehung, das temporäre oder finale Fazit eines ungelebten Lebens. Wovon gleich die erste dieser Geschichten handelt (Cape Cod Morning, 1950). In der eine nach dem Tod ihres Mannes alleine gebliebene Frau zurück auf eine gemeinsame beruflich und gesellschaftlich erfolgreiche Zeit und in ein lieblos gewordenes Eheleben blickt. Hier wie in allen Geschichten richtet sich der erzählerische Blick nach innen und ergänzt so die für Hopper so typische Perspektive von innen nach außen.

Doch die schnell festgestellte existentialistische Grundierung all dieser Bilder-Geschichten täuscht. Changiert doch das Gesamtbild zwischen Alleinsein und Einsamkeit, Warten und dem Aufbruch nach Enttäuschungen. Nicht alle Protagonisten warten endlos, wie bei Godot. Die pflichtbewußte Hausangestellte nicht, die bewußt auf ein ihr überraschend zugefallenes Erbe verzichtet (Hotel Room, 1931) und auch nicht jene beiden Frauen, die sich auf unterschiedliche Art an ihren Männern rächen: Die in ihrer Ehe einsam gewordene sexuell mit dem Verlobten ihrer Tochter (Second Story Sunlight, 1960), die wegen ihrer Einsamkeit Betrogene durch den Verrat ihres Betrügers (Office at Night, 1940). Mehr noch als hier gibt in anderen Bild-Erzählungen die Unfähigkeit zur Kommunikation den erzählerischen Hintergrund ab. So dominieren bei der zufälligen Begegnung zweier Frauen die sich kennen noch Rachegelüste und verhaltene Wut über die beiderseitige Sprechverweigerung (Chair Car, 1965), während eine von ihrem Umfeld nur vermutete Vergewaltigung eines Mädchens in dessen totalem Verstummen endet (Room in Brooklyn, 1952). Ein Verstummen, das sich in einer anderen Bild-Erzählung in der frühen Sprachlosigkeit eines Mannes wiederfindet der, nur noch schreibend, mit seinen nie gesprochenen Aufzeichnungen einsam stirbt (Gas, 1940). Anders als in all diesen Geschichten tauen in den letzten beiden Erzählungen jedoch die bei Hopper wie in ihr Umfeld eingefrorenen Individuen erzählerisch auf. Denn anders als auch bei Godot gibt es nun auch Hoffnung. Für eine Frau, die sich scheiden läßt und ein neues Leben beginnt (Morning in the City, 1944), für einen arbeitslos gewordenen Mann der seine Frau verläßt und sich in einem neuen Leben wiederfindet (Hotel by the Railroad, 1952).

Viel Unter- und Hintergründiges also wie eben in den Bildern Hoppers und doch anders als bei ihm und Beckett weil hier auch positiv aufgelöst. In oft gelungenen atmosphärisch dichten, zeittypischen nordamerikanischen Situationsbeschreibungen, die jedoch in zwölf blumig-nebelige wortkaskadische Monologe und Dialoge eingebunden sind. Und so, vielleicht gewollt, beim Leser jenes diffuse Bild zurücklassen das sich auch beim Betrachten von Hoppers Bildern einstellt.

17.04.2019
Wolfgang Schmidt, Berlin-Friedenau
Die Wartenden. Zwölf Kurzgeschichten zu Bildern von Edward Hopper. Mauguin, Marc. Franz. Unewisse, Cordula. 2019. 192 S. 12 fb. Abb. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2019. EUR 22,00.
ISBN 978-3-7725-3012-8
 
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