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Freiheit – Die Kunst der Novembergruppe

100 Jahre ist die Gründung der ersten deutschen Demokratie nun her. Zeitgleich mit dem Experiment der Weimarer Republik wurde im November 1918 in Berlin auch die Novembergruppe geboren. In diesem lockeren Zusammenschluss von Kulturakteuren verbanden sich unterschiedlichste Schaffensbereiche miteinander, die sich nicht nur aus der bildenden Kunst, sondern auch aus den Bereichen der neuen Musik oder der Architektur rekrutierten. In ihrem Gründungsmanifest forderten sie nicht weniger als eine Reform der Baukunst als öffentliche Angelegenheit, des Unterrichts an den Kunstschulen, der Museen und der Kunstgesetzgebung. Bislang gab es zwei Buchpublikationen über die Künstler und Kunst der Novembergruppe und ihre Geschichte. Nachdem der Nutzen der Publikation der Galerie Bodo Niemann (1993) dadurch beeinträchtigt wurde, dass sich mehrere abgebildete Werke als Beltracchi-Fälschungen herausgestellt haben, bildete die bereits 1969 von Helga Klimann vorgelegte Aufarbeitung der Geschichte das gängige Standardwerk zu dieser vielseitigen Künstlervereinigung – bis jetzt!
Mit einer Förderung der Gerda Henkel Stiftung konnte an der Berlinischen Galerie, Landesmuseum für Kunst, Fotografie und Architektur, ein umfassendes Forschungsprojekt initiiert werden, das von der Kunsthistorikerin Janina Nentwig durchgeführt wurde und dessen Ergebnisse nun in einer Ausstellung und diesem Katalogbuch sichtbar gemacht werden. Die Herausgeber legen mit dem umfangreichen Band ein Überblickswerk zur Novembergruppe vor, das – ausgehend von den reichen Beständen des Museums und seiner Archive – ein aktuelles Bild der Vereinigung zeichnet. Der Aufbau des reich bebilderten Katalogs folgt hierbei den chronologischen Ereignissen: Nach Vorwort, Dank und einer Einführung durch die Kuratoren der Ausstellung, setzt die Schilderung mit einem Prolog der Gründung ein. Eine Dreiteilung der Chronologie (1918-1922, 1922-1928 und 1928-1935) gliedert den Band in chrakteristische Phasen des Aufbruchs, der Versachlichung und des Endes der Novembergruppe. Prägnante Aufsätze widmen sich einzelnen Entwicklungsaspekten, so den Themen Novembergruppe und Dada, Stilpluaralität, Architektur, Hörfunk und Musik. Als kenntnisreiche Autoren konnten hierfür u.a. die Referenten einer von der Kurt-Weill-Stiftung durchgeführten Tagung zur Novembergruppe im März 2018 gewonnen werden. Charakteristische Werke mit Kurzbeschreibungen veranschaulichen die Entwicklungsphasen. Den Abschluss bildet eine Chronik sowie ein Dokumentenanhang u.a. aus Mitgliedsmodalitäten, Mitgliederlisten und einer Bibliografie.
Die wissenschaftlich vorbildlich gearbeitete Publikation geht inhaltlich weit über einen Ausstellungkatalog hinaus. Lediglich zwei Aspekte schmälern den Genuss – vielleicht auch die weitere Nutzung: So wirkt der Band in seiner dichten Gestaltung typographisch überfrachtet. Möglicherweise hätte ein Druckbogen mehr für eine etwas weniger gedrängte Ansicht gesorgt. Dieser Kritikpunkt bleibt Geschmackssache, anders verhält es sich mit dem fehlenden Personenregister: Der Band verfolgt den Anspruch, ein Nachschlagewerk zum Thema zu sein. Für die weitere Benutzung wäre ein Register – auch Kliemanns Publikation verfügt über ein solches – daher unerlässlich gewesen.
Nichtsdestotrotz: „Freiheit. Die Kunst der Novembergruppe 1918–1935“ gehört in jede Bibliothek zur Kunst der Moderne und ein Besuch der noch bis zum 11. März 2019 laufenden Ausstellung in der Berlinischen Galerie ist höchst empfehlenswert. Die hervorragend kuratierte Schau versammelt in präziser Auswahl bedeutende Werke der Künstlerinnen und Künstler der Novembergruppe und lädt zu einer Reise durch die Kunst- und Kulturgeschichte vor allem der 1920er Jahre ein.

10.01.2019
Kora G. Polock
Freiheit. Die Kunst der Novembergruppe 1918-1935. Hrsg.: Köhler, Thomas; Burmeister, Ralf; Nentwig, Janina. 256 S. 220 fb. Abb. 27 x 23 cm. Prestel Verlag, München 2018. EUR 48,00. CHF 65,00
ISBN 978-3-7913-5780-5
 
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