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Alexander Kanoldt

Das Verglühen des expressionistischen Farb- und Formfurors und das Entstehen des Verismus und der Neuen Sachlichkeit im Laufe der ersten Hälfte der 1920er Jahre gehören zu den interessantesten Phänomenen der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts. „Es entsteht eine neue Atmosphäre, reiner und leichter, und das Ringen hört auf“, hatte der Architekt Bruno Taut schon im Frühjahr 1920 notiert, und etliche Künstler, die noch wenige Jahre zuvor im Rausch der Farbe und in exaltierten Formen den adäquaten Ausdruck ihrer Zeit gesehen hatten, wandten sich im Laufe des Jahrzehnts einer nahezu fotorealistischen oder dokumentierenden Bildsprache zu. Die Kunstkritik beschrieb das Phänomen alsbald mit den Begriffen „Nach-Expressionismus“, „Magischer Realismus“ (Franz Roh) oder „Neue Sachlichkeit“ (Gustav Hartlaub).
Der Maler Alexander Kanoldt (1881-1939) gehört zu den herausragenden Vertretern dieser Stilrichtung. Anders als etwa Otto Dix wählte er in erster Linie nicht die Menschen seiner Zeit als Motiv seiner magisch-veristischen Bilder, sondern die Aufgeräumtheit eines Stilllebens oder – als sein prominentestes Motiv – die tektonische Klarheit mittelalterlicher Stadtarchitekturen von Klausen, San Gimignano oder dem Städtchen Olevano im Latium.
Zum ersten Mal wird das Gesamtwerk der Gemälde des Künstlers nun in einem Werkverzeichnis dokumentiert. Der übersichtlich gestaltete Band versammelt rund 270 Gemälde – von den spätimpressionistischen Frühwerken der Jahre 1904/05, als Kanoldt als Schüler von Friedrich Fehr an der Karlsruher Akademie studierte, über die Werke, die um 1909 im Umkreis der Neuen Künstlervereinigung München entstanden, bis zu den magisch wirkenden Stadtlandschaften und Stillleben der 1920er und 1930er Jahre. Deutlich lässt sich in der lückenlosen chronologischen Abfolge das wie zwangsläufig wirkende Entstehen der Neuen Sachlichkeit aus der Rezeption des Kubismus und der Suche nach formaler Klarheit ablesen.
In vorbildlicher Stringenz und Klarheit bietet das von dem maßgeblichen Kenner des Werks auf Grundlage des Nachlasses des Künstlers verfasste Werkverzeichnis dazu die für Sammler, Händler und Museen notwendigen Angaben: Neben den eigentlichen Werkdaten sind dies vor allem die Angaben zur Provenienz und Ausstellungsgeschichte jedes einzelnen Bildes, die – vor allem in Hinblick auf die frühen Jahre – heute zum notwendigen Standard seriöser Werkverzeichnisse gehören müssen. Vorbildlich sind auch kurze Angaben zur dokumentarischen Überlieferung der einzelnen Werke, die vor allem dann wichtig sind, wenn Gemälde heute als verschollen gelten und somit deutlich gemacht wird, auf welchen Quellen die dokumentierten Angaben basieren. Diese werden zudem, wo möglich und sinnvoll, durch kurze Kommentare zu ggf. umstrittenen Provenienzen oder zusätzliche Angaben zur Sammlungs- und Ankaufsgeschichte ergänzt. Wo etwa Ankaufsbelege von Museen oder Dokumente zur Beschlagnahmung von Werken im Rahmen der nationalsozialistischen Aktion „Entartete Kunst“ vorliegen, bilden diese Dokumente zugleich eine Kulturgeschichte der Museumsmoderne in Deutschland. Eine umfassende „Einführung in das Leben und Schaffen des Künstlers“ sowie eine tabellarische Biografie, Literatur- und Ausstellungsverzeichnisse sowie ein Namensregister runden den – erfreulich preisgünstigen und gut gedruckten – Band zu einem unverzichtbaren Standardwerk ab und machen das handliche Werkverzeichnis zur unumgänglichen Monographie zu diesem Hauptvertreter der Malerei der Neuen Sachlichkeit.

10.01.2019
Rainer Stamm
Alexander Kanoldt. 1881–1939. Werkverzeichnis der Gemälde. Koch, Alexander. Hrsg.: Faber, München. 224 S. 337 Abb. 28 x 24 cm. Hirmer Verlag, München 2018. EUR 58,00. CHF 70,80
ISBN 978-3-7774-3144-4
 
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