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Magdalena M. Moeller und das Brücke-Museum Berlin

Im September 2017 ist Prof. Dr. Magdalena M. Moeller nach fast 30 Jahren als Direktorin aus dem Brücke-Museum verabschiedet worden. Anlässlich ihres Ausscheidens hat die Journalistin Bernadette Schoog nun eine „etwas andere Art von Biografie“ (S. 11) veröffentlicht. In der im Klinkhardt & Biermann Verlag erschienenen Publikation „Kirchner, Nolde und die anderen. Magdalena M. Moeller“ wird die beeindruckende, vollkommen makellos erscheinende und sehr steile Karriere der aus Köln stammenden Kunsthistorikerin erzählt. Das gebundene, über 200 Seiten starke Buch mit aufwendigem Schutzumschlag und vielen Farbabbildungen setzt ein mit Moellers Anfängen und ihrem Weg ins Museum. Nach dem Studium, das sie „einschließlich Dissertation in der Rekordzeit von zwölf Semestern“ (S. 15) abschließt, wird sie Volontärin in der Stuttgarter Staatsgalerie. Sie bricht das Volontariat nach nur einem Jahr ab, um eine Stelle als Leiterin der Abteilung Malerei und Plastik am Sprengel Museum in Hannover anzutreten. 1988 – gerade Anfang dreißig (S. 67) – erhält sie die Chance, auch wenn sie zunächst zögert, die Leitung des Brücke-Museums in Berlin zu übernehmen, und eine steile Karriere beginnt, für die Schoog keinen huldigenden Superlativ bei ihrer Beschreibung auslässt.

Der Gründungsdirektor Leopold Reidemeister wird in wenigen Absätzen abgehandelt, er hinterlässt ein Haus, „das brach liegt, weil keiner so richtig dafür sorgt“ (S. 54). Schoog beschreibt in einer zumeist chronologischen Erzählweise nicht nur die wichtigsten Ausstellungen, sondern auch die wesentlichen Publikationen, wobei sie hierbei immer wieder die grafische Aufmachung der Bücher hervorhebt, für deren Gestaltung allein Magdalena M. Moeller verantwortlich zeichnet. Aufbauend auf ihrer großen fachlichen Kompetenz („Sie weiß ALLES über den Expressionismus“, S. 10) gelingen Blockbuster-Ausstellungen mit Besucherrekorden und spektakuläre Ankäufe. Mit neuen Marketingstrategien kann sie die Sammlung international zum musealen Zentrum der Brücke-Kunst etablieren. Was Moeller sagt oder publiziert hat Gewicht: „Und doch gesteht sie ihm einen entschiedenen Anteil an der Entstehung der Kunst des Expressionismus zu“ (S. 101), heißt es beispielsweise zum Urteil der Museumsleiterin über Max Pechstein. Diese andere Art der Biografie, in der Moeller nur aus vergangenen Veröffentlichungen zitiert wird, ist auch eine Abrechnung: Bernhard Sprengel hatte sie kaum wahrgenommen (S. 37) und dem Leiter des Prestel Verlags sollte eine Absage an die junge Magdalena M. Moeller leidtun, „denn ihr Name sollte ihm sehr bald sehr wohl sehr bekannt werden“ (S. 32). Schoog, die mit der Portraitierten immer wieder Gespräche geführt hat, platziert innerhalb der einzelnen Kapitel verschiedene Exkurse, die zumeist die Lebenswege der wichtigsten Künstler (und Künstlergruppen) darlegen, vor allem der Expressionisten, die Moeller in Ausstellungen und Katalogen thematisiert. Diese Exkurse, in denen – wie eigentlich im gesamten Buch – auf wissenschaftliche Verweise verzichtet wird, wenden sich an den interessierten Kunst-Laien. Ob es bei Robert Delaunay nun wirklich zu wissen hilft, dass er ein Scheidungskind ist? (S. 34)

Sinn und Inhalt der Publikation erschließen sich leider nicht zur Gänze: Über die einzelnen Maler gäbe es bessere Texte zu lesen, doch ermöglichen sie einen Einstieg in die Materie. Moeller hatte zudem bereits in der Veröffentlichung von 2013 (Titel: „Im Zentrum des Expressionismus“) eine umfangreiche Würdigung erhalten: „Eine über 550 Seiten starke Auflistung und Beschreibung all der Projekte und Verdienste, die Magdalena M. Moeller sich in ihren 25 Direktionsjahren bis zu diesen Zeitpunkt erworben hatte“ (S. 123), heißt es zum „Jubiläumsband für und über“ die Direktorin. Den Stil von Schoog muss man mögen, ebenso die schier endlosen Lobgesänge: „Man könnte stundenlang weiterschwärmen (...)“ (S. 123), schreibt sie und will dem bereits an all den schmeichelnden Worten ertrunkenen Leser weiteres Staunen ob der Leistungen der Magdalena M. Moeller abringen, die im Ausland nicht nur Vertreterin des Brücke-Museums, sondern Botschafterin Berlins, nein der gesamten Bundesrepublik ist (S. 181). Schoog macht darüber hinaus sehr deutlich, dass Moeller eine One-Woman-Show ist, charakterisiert sie als starke und zu weilen sture Verhandlungsgegnerin, die komme was wolle, ihre Interessen durchsetzt. Nicht ein einziger Name einer Mitarbeiterin oder eines Assistenten am Brücke-Museums fällt, so dass der Eindruck entsteht, Moeller habe sämtliche Ausstellungen im Alleingang bewerkstelligt. Auch andere WissenschaftlerInnen, die Großes in der Brücke-Forschung geleistet haben, bleiben (weitgehend) unerwähnt.
Im Oktober 2017 hat nun die Kunsthistorikerin Lisa Marei Schmidt die Leitung des Brücke-Museums übernommen. Ihr darf man viel Erfolg wünschen, das Museum in eine neue Ära zu führen.

08.11.2017
Kora G. Polock
Kirchner, Nolde und die Anderen. Magdalena M. Moeller und das Brücke-Museum. Schoog, Bernadette. 2017. 224 S. 111 fb. Abb. 24 x 17 cm. Klinkhardt & Biermann Verlag, München 2017. EUR 19,90. CHF 25,30
ISBN 978-3-943616-44-6
 
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