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Bauhaus-Vorträge

Das Bauhaus war seit seiner Gründung 1919 in Weimar nicht nur eine (von mehreren!) impulsgebenden deutschen Kunsthochschulen, die das von der Lebensreform und vom Deutschen Werkbund aufgestellte kulturpolitische und pädagogische Programm umzusetzen suchten. Das Bauhaus war auch eine Schule, die durch ihr ideell und intellektuell heterogen vorgeprägtes Personal der „Meister“ lange auf der Suche nach einem stringenten Profil war. Wäre das Bauhaus nur das Weimarer Bauhaus geblieben – niemals wäre es zu diesem an Hysterie reichenden Ruhm gekommen, den es heute genießt. Denn richtig Avantgarde, richtig progressiv, richtig wirkungsmächtig, richtig propagandistisch in eigener Sache wurde es erst in Dessau – wobei man bei dieser naßforschen Behauptung natürlich die in der Weimarer Keimzelle angelegten Impulse nicht verkennen darf.
Abseits der bekannten Bauhaus-Richtungskämpfe zwischen Handwerk und Industrie, die den Werkbundstreit von 1914 wiederholten und schließlich ab 1924 zugunsten der Industrie entschieden wurden, gibt es mit den Abendvorträgen am Weimarer Bauhaus ein zweites „Umfeld“, indem sich die Profilsuche der Lehranstalt um Walter Gropius nachzeichnen läßt. Liest man die Namen der Redner, so merkt man, dass das Bauhaus bei der Auswahl seiner Gäste zwar durchaus up-to-date war. Aber jemand, der über den Tellerrand der eigenen Zeit hinausgeschaut hätte, ist nicht wirklich dabei.
Um ein paar Namen zu nennen, die im vorliegenden Sammelband jeweils in einem kleinen Aufsatz im Hinblick auf ihren Bauhausauftritt (und, wo möglich, dessen Wirkung) untersucht werden, reicht es, den Klappentext zu zitieren: „Else Lasker-Schüler, Hans Prinzhorn, Hermann Graf Keyserling, Inayat Khan, Hedwig von Rohden, Kurt Schwitters, Edwin Redslob, Bruno Taut, Gustav Wyneken, Hermann Ranke, Wilhelm Worringer und viele andere“, von denen die meisten bezeichnenderweise eher für die Entwicklungen der Vorkriegszeit stehen. Es wird also, gleichsam auf persönlicher Ebene, noch einmal das unterstrichen, was ohnehin ins Bauhaus eingeflossen ist: selbstgemachte Ideologien wie Mazdaznan, Indienbegeisterung (die Tagore-Manie der Zeit), der in die Jahre gekommene Expressionismus, das Thema Gesamtkunstwerk, die Verbindung von Kunst und Natur mit Psychologie, die veränderte Körperauffassung, die sich im Tanz und Theater Ausdruck verschaffte. Kurzum: die allgemeine Orientierungsphase des Instituts findet sich in den Gastvorträgen gespiegelt.
Natürlich ist dieser Band keine Lektüre für die breite Masse. Es ist eine Aufsatzsammlung, die sich hochspezialisierten Fragen zum Bauhaus widmet und diese im Lichte der Weimarer Vorträge, bündelt. Kann sein, dass man mit einem solch dicken Buch der Sache zu viel Aufmerksamkeit beimisst. Wir alle wissen, welche Wirkung Vorträge haben können, vor allem, wenn der Redner mit Hypnos verwandt ist. Von den Referenten als einem „zweiten Lehrkörper“ zu sprechen, wie es Herausgeber Peter Bernhard in seiner Einleitung tut, ist wohl übertrieben. Da hätte man schon deutlicher zeigen müssen, welchen „Impact“ der eine oder andere Auftritt, ja der ganze Vortragsreigen insgesamt hatte – und das dürfte, angesichts der Quellenlage, äußerst schwierig sein. Insgesamt ist das Randthema – gepimpt mit DFG-Mitteln – also groß, allzu groß aufgemacht. Im Detail dann sind die 33 Texte mal fundierter, mal weniger fundiert: da ist man als Herausgeber halt auf sein Glück angewiesen. Richtig schade ist aber, dass die Schriftenreihe, in der das Buch erschien (Neue Bauhausbücher, Neue Zählung, Band 4) sich gestalterisch so un-bauhäuslerisch, um nicht zu sagen un-ästhetisch gibt. Für den sicher üppigen Druckkostenzuschuß wäre garantiert was anderes drin gewesen – und da sollte das Bauhaus-Archiv als Reihenherausgeber stärker darauf achten.

07.01.2017

Christian Welzbacher
Gastredner am Weimarer Bauhaus 1919–1925. Neue Bauhausbücher hrsg. vom Bauhaus-Archiv Berlin (4). Hrsg.: Bernhard, Peter; Beitr.: Ackermann, Ute; Beitr.: Bavaj, Riccardo; Beitr.: Bernhard, Peter; Beitr.: Bernhardt, Christoph; Beitr.: Bushart, Magdalena; Beitr.: Ganter, Martha; Beitr.: Georgen, Jeanpaul; Beitr.: Happle, Hardy; Beitr.: Linse, Ulrich; Beitr.: Ludewig, Peter; Beitr.: Nienhaus, Stefan; Beitr.: Röske, Thomas; Beitr.: Röthke, Ulrich; Beitr.: Schirren, Matthias; Beitr.: Schulz, Isabel; Beitr.: Stasny, Peter; Beitr.: Engelberg-Dockal, Eva von; Beitr.: Engelberg-Dockal, Eva von; Beitr.: Wahl, Volker; Beitr.: Warmburg, Joaquin Medina; Reihe Hrsg.: Bauhaus-Archiv Berlin. bauhausvorträge. 424 S. 120 z. T. fb. Abb. 25 x 18 cm. Gb. Gebr. Mann Verlag, Berlin 2016. EUR 69,00. CHF 84,20
ISBN 978-3-7861-2770-3   [Gebr. Mann Verlag]
 
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