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Goethe-Bilder

Wo anfangen in diesem Buch der 1500 Goethe-Bilder, wo aufhören? Bei all dem was hier durcheinander zu wirbeln scheint, bedeutend, bekannt, unbekannt, künstlerisch gestaltet, kurios oder kitschig?

Goethe nach 1890 und dann fast 100 Jahre Goethe allüberall und weltweit. Hier in der gedoppelten Geschichte seiner Zeit und der dieser Bilder. Mit seinem familiären und persönlichen Umfeld, Wohn- und Aufenthaltsorten, Reisen, Werken, Werkfiguren- und zitaten, im Porträt. Zuerst und opulent auf Postkarten und Ansichtskarten, später auf Briefmarken wie den westdeutschen vor 1989, nach 1900 mit Fausts Gretchen auf Werbebildchen für Paradiesbetten aus Sachsen, auf Feldpostkarten im 1. Weltkrieg, DDR-Banknoten von 1964, Denkmälern zwischen Weimar, Sessenheim, Milwaukee und Anting in China, Sammelbildern gar mit Vertonungen, Bierdeckeln, faszinierenden Stereofotos. Nur kurz verlängert in unsere Zeit eines pop-art-verfremdeten Donald Duck, der nun statt Goethe vor kampanischer Landschaft kampiert. Goethe im 20. Jahrhundert, vielfältig medial popularisiert, das Thema dieses Buches.

Und damit das kulturell Große, reduziert auf das für jedermann Konsumierbare. So kann auch, durch die so vielen Goethe-Motive auf deutschen Briefmarken nach 1918 und 1945, die zeitüblich geforderte Rückbesinnung auf die deutsche Klassik visuell nacherlebt werden. Doch wer hier zeitübergreifende Analysen erwartet ist fehl im Platze in diesem Buch einer wissensfrohen Sammelleidenschaft, die nicht gelehrt sondern lehrreich daher kommt. Mit manchmal überraschend eingeschobenen und ausführlichen technikgeschichtlichen Exkursen aber doch ein wenig überbordend. Die so meist gezähmt-strukturierte Sammelleidenschaft bietet dem Leser mit einem fast enzyklopädischen Goethezeit-Wissen eine Fülle von Details, wobei sich das vermeintlich nur Anekdotische beim genauen Lesen oft als Zeitgenössisches in seiner Kontinuität erschließt. Wie jener kurze Hinweis auf einen Goethe, der auf westdeutschen Banknoten fehlt. Verhindert, 1985, durch die Frauenquote.

Es ist ein Buch des Überblicks und zugleich eines der vielen Details, das so zum Ansehen ebenso wie zum Nach-Lesen anregt. Es ist ein liebenswertes Bilder-Buch weil hier, ohne etwas nachweisen zu wollen, vor dem Leser ein gesammelter Schatz freudig ausgebreitet und gezeigt wird. Ein hoffentlich nicht übersehener Steinbruch für Kultur- und Medienhistoriker, ein Lesebuch für Großväter und das Goethe-Bilderbuch für ihre Enkel.

22. 05.2016
Wolfgang Schmidt, Berlin-Friedenau
Goethe-Bilder auf Postkarten, Briefmarken, Geldscheinen, Sammelbildern, Stereofotos, Bierdeckeln. Protte, Meinolf ; Vogt, Ulrich . 432 S. 1.500 fb. Abb. 29 x 24 cm. Gb. Olms Verlag, Hildesheim 2016. EUR 48,00. CHF 58,60
ISBN 978-3-487-08572-2   [Olms]
 
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